Stöckelschuh für den Herrn

Von der Bartabdeckcreme bis zur Gummibrust – im „Transformation“-Laden in der Marburger Straße finden angehende Transvestiten alles, was sie brauchen  ■ Von Kirsten Küppers

Ein untersetzter Mann mittleren Alters dreht und wendet sich vor dem großen beleuchteten Spiegel. Eben noch Träger eines gewöhnlichen T-Shirts, probiert er jetzt mutig ein schwarzes Mieder an. Eine Verkäuferin schnürt ihm unter mitfühlenden Worten den Bauch ein. Der Mann bekommt vor Eifer rote Bäckchen. Weil das Dessous teurer ist als erwartet, muß er noch schnell zur Postbank, Geld abheben. Die Augen hinter seiner Kassenbrille strahlen, als er zehn Minuten später die unverfänglich aussehende Plastiktüte in Empfang nimmt.

Der seit November letzten Jahres in einer Seitenstraße des Tauentzien befindliche Laden „Transformation“ bietet alles, was ein Transvestiten-Herz höher schlagen läßt. Wer sich „in eine bezaubernde Frau verwandeln“ will, ist hier an der richtigen Adresse. Von der Unterwäsche übers Brautkleid bis zur Langhaarperücke Modell „Cher“ gibt es die komplette Ausrüstung zum Frausein.

Mit großen Anzeigen in den Berliner Stadtmagazinen und überregionalen Fernsehzeitschriften wirbt „Transformation“ seit Monaten für sein in Deutschland bisher einzigartiges Sortiment. Die Idee kommt von Stephanie Anne Lloyd aus England. Deren leidvolle Geschichte ist für die Kunden auf einem Handzettel bei den Umkleidekabinen nachzulesen: Geboren wird Stephanie als Keith: „Keith war sehr beliebt bei Frauen und sogar als Casanova bekannt.“ Doch Familienvater Keith erkennt bald sein wahres Ich. Nach „acht quälenden Jahren“ entscheidet er sich zur Geschlechtsumwandlung. Danach muß Stephanie sich erst mal als Prostituierte durchschlagen. Dann wird doch alles gut. Jetzt ist sie mit einem reichen Geschäftsmann verheiratet, kennt Filmschauspieler, leitet die schicke „Albany-Klinik“ und ist die Chefin der Transformation-Shops. Von Manchester aus vertreibt die „Transformation“-Firma seit 15 Jahren spezielle Artikel für Transvestiten.

Das Geschäft läuft gut. Im Schnitt finden etwa 20 Kunden pro Tag den Weg in die Marburger Straße 16. Hier erwartet sie nicht etwa die plüschige Atmosphäre eines Rotlicht-Etablissements, sondern die seriöse Eleganz eines Mittelklasse-Modegeschäftes.

Sofas im Landhausstil, Kunstblumen und einfühlsame Verkäuferinnen stehen mit einem Täßchen Kaffee bereit, um „so manche echt weibliche Anliegen vertraulich“ zu bemurmeln. Laut gesprochen wird hier nicht. Trotzdem „zittern die Kunden manchmal wie Espenlaub“, berichtet Linda Hauke, stellvertretende Geschäftsführerin. Der Laden wird kaum von schillernden Drag- Queens besucht, sondern von eher „schüchternen Männern, die das Bedürfnis haben, sich als Frau zu verkleiden“. Vom Lastwagenfahrer bis zum Richter seien alle Berufsgruppen zwischen 18 und 80 Jahren vertreten.

Bei „Transformation“ haben die Kunden nicht nur die Möglichkeit, hochhackige Lacklederschnürstiefel bis Größe 47 anzuprobieren oder sich über die Vorteile von Silikon- gegenüber Schaumstoffbrüsten zu informieren. Wer erleben möchte, welche Figur er als Frau abgibt, kann aus einem „Change away“-Menü zwischen 20 Styling-Alternativen wählen. Eifrige Helferinnen schminken und staffieren den Neugierigen für 300 Mark mit dem gewünschten Kostüm aus. Vier Stunden darf der Gast dann mit Verkleidung im Laden herumspazieren. An einer Pinnwand hängende Polaroids zeigen bereits etliche glückliche „Change away“-Klienten in Miniröcken oder langen Abendroben. „Wir leisten auch stark therapeutische Arbeit“, schildert Linda Hauke den Alltag im Laden.

Währenddessen betastet ein Kunde verstohlen eine im Regal liegende Gummibrust. Zwei Neugierige interessieren sich für die Hormonpräparate daneben. An der Wand fordert ein Werbeplakat für eine Bartabdeckcreme „Schluß mit männlichem Haar“. Letztendlich eine ganz normale Herren- Boutique.