■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Die interaktive Katzenpyramide von Mariendorf
: Hauptsache, es lärmt

Vielleicht haben sich die Luftballons einfach überfordert gefühlt und sich gefragt, wie sie es schaffen sollen, eine gute Pyramide zu sein. Pyramiden sind schließlich beinah unvergänglich. Vielleicht haben die dünnhäutigen Luftballons bei diesem Gedanken resigniert und sich gesagt, daß sie das nicht bringen. Daß sie einfach keine Pyramide sein wollen.

Der Berliner Künstler Klaus Rudolf hat die Zimperlichkeit von Luftballons nicht bedacht und ihnen in seiner Klanginstallation namens „Katzenpyramide“ die formgebende Rolle zugedacht. Seine Idee: heliumgefüllte gelbe Ballons, röhrenförmig und von rund anderthalb Meter Länge, werden mit Bändern am Boden verankert, damit sie nicht wegfliegen, und so arrangiert, daß sie eine pyramidale Form bilden – schwebend und eindrucksvoll, fast so groß wie ein Einfamilienhaus. Im Inneren dieses flüchtigen Baus verbergen sich Mikrophone, in die Besucher miauen können. Wirklich miauen – und nicht irgendwelche Geräusche machen. Denn zu einer Pyramide, findet Klaus Rudolf, gehören miauende Sphinxe, und deren Rolle soll das Publikum übernehmen. Das ist interaktive Kunst.

Im Volkspark Mariendorf zum „Internationalen Kulturlustgarten“, der für ein Wochenende den Park in einen Rummel mit Buden, Kasperletheater und Karussels verwandelt, setzt der Künstler seinen Plan in die Tat um. Doch schon am frühen Nachmittag zeigt sich, daß der Teufel im Detail steckt. Die Luftballons wollen keine Pyramide sein. Die ägyptischen Temperaturen an diesem Tag sind ihnen offenbar zu hoch, und so schrumpfen und schrumpeln sie langsam vor sich hin. Ab und zu knallt es laut und häßlich, wenn wieder einer von ihnen in der Sonne zerplatzt. Aber dafür gibt es zwei zum Kunstwerk gehörende weibliche Menschenkatzen, die ihr Bestes geben, um von den schlaffen Ballons abzulenken. In Lack und Latex gekleidet, mit Katzenöhrchen- Kappe streiften Conny und Nadja mal auf allen vieren, mal aufrechten Ganges umher und wackeln lasziv mit dem Hintern. Eigentlich wollen die beiden Sängerinnen werden, aber das hier mache ihnen auch Spaß, sagen sie und räkeln sich im Gras. Ein paar wenige Lustgarten-Besucher schauen interessiert, wollen sich aber nicht zum Miauen überreden lassen. Nur ein junges Pärchen versucht es. Aber nur einmal und ganz leise. Dann lachen beide verschämt und gehen schnell weiter. Also miauen die Katzen und der Künstler selbst um die Wette. Und prompt wird auf ihre tierischen Rufe geantwortet. Der benachbarte Kirmesbudenbesitzer dreht seine Musik auf. Die Künstler halten gegen und maunzen lauter. Aber nur eine Viertelstunde lang: Im Gegensatz zu den Schaustellern muß sich die Katzenperformance an die Mittagsruhe halten, erklärt die Initiatorin Mo Dittmann mit bedauerndem Blick auf die Uhr.

Trotz allem ist der Künstler Klaus Rudolf zufrieden. Auch das Dahinsiechen seiner Luftballons beunruhigt ihn nicht weiter. „Das ist doch das Spannende, wenn etwas anders läuft als geplant und dann zu schauen, was passiert“, sagt er. Seit sechs Jahren bastelt der studierte Maler zusammen mit seinem Partner Steffen Bock-Weiland an Klanginstallationen. Meist im großen Stil, aus Metall oder Holz, Hauptsache, es lärmt.

Und dabei ist schon mehr schiefgegangen als heute. Einmal, in Mainz, war es ein mit Klangkörpern bestückter Fesselballon, der nach kurzer Zeit ein Loch hatte und in sich zusammengesackte. „Das war zuerst ärgerlich, aber dann wurde es richtig gut, weil die Leute anfingen, damit zu spielen und ihn über die ganze Wiese zu ziehen.“ Am Abend werden auch hier die Besucher strömen, da ist er sich sicher. „Das wird hier noch richtig voll.“ Miau. Katharina Maas