Tausende Zivilisten fliehen aus dem Kosovo

■ Viele Dörfer zerstört. Albaniens Premier fordert vom Westen sofortiges Eingreifen

New York/Priština/Tirana (AP/ AFP/taz) – Nach den heftigen serbischen Angriffen vom Wochenende auf Dörfer im Kosovo sind Tausende Zivilisten auf der Flucht. Der Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR), Kris Janowski, sagte gestern in Genf, die Situation habe sich durch die massiven serbischen Angriffe auf die Dörfer entlang der Grenze erheblich verschlimmert. Ganze Dörfer seien in Trümmer gelegt worden. Zwei Dörfer, die bislang als Auffanglager für Flüchtlinge aus den umliegenden Regionen dienten, seien komplett verlassen.

In Junik hätten rund 15.000 Menschen Zuflucht gefunden, einige tausend seien es in Decane gewesen. Wo sich die Menschen jetzt aufhielten, sei nicht bekannt, wahrscheinlich aber seien sie in die umliegenden Berge geflohen. Der Zugang dorthin werde dem UNHCR von serbischen Straßensperren verwehrt.

Nach Angaben örtlicher Menschenrechtsorganisationen waren am Wochenende bei Auseinandersetzungen mit serbischen Einheiten 18 Kosovo-Albaner getötet worden. Bei Angriffen albanischer Separatisten auf serbische Polizeistellungen nahe der Orte Decani und Djakovica wurden in der Nacht zu Dienstag vier Polizisten schwer verletzt.

Der österreichische Militärattaché in Albanien, Wilhelm Figl, berichtet von der systematischen Zerstörung albanischer Dörfer durch serbische Einheiten. Er habe dies selbst bei Aufenthalten an der albanisch-jugoslawischen Grenze beobachten können, sagte Figl gestern im österreichischen Rundfunk.

Unterdessen warf der albanische Premierminister Fatos Nano Belgrad systematische ethnische Säuberungen und Vertreibungen vor und rief die internationale Gemeinschaft zu sofortigen und entschlossenen Aktionen auf. Nach Angaben der Regierung in Tirana seien am Wochenende rund 2.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo in Albanien eingetroffen. Diese Massenflucht sei die größte seit Beginn der Auseinandersetzungen Ende Februar. Die Flüchtlinge, in der Hauptsache Frauen, Kinder und alte Menschen, würden bei Familien und in einem Schulgebäude untergebracht und mit Kleidung und Lebensmitteln versorgt.

Am Montag hatte der Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, die Forderung nach Unabhängigkeit der serbischen Provinz unterstrichen. Nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte er in New York, die Unabhängigkeit des Kosovo wäre die beste Lösung für eine Stabilisierung des Balkans. Als erste Stufe schlug er eine internationale Zivilverwaltung für den Kosovo vor.

Überdies forderte Rugova angesichts der Eskalation der Gewalt im Kosovo eine „konkrete“ internationale Präsenz im Kosovo. Die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun, um die „Massaker“ in der serbischen Unruheprovinz zu beenden. Nur so könnten die Verhandlungen mit Belgrad erfolgreich verlaufen. UN-Sprecher Fred Eckhard erklärte zu den nicht näher präzisierten Äußerungen Rugovas, die Rolle der UNO im Kosovo könne nur humanitärer Art sein.