Krach in der Kreditwirtschaft

Vor allem in Ostdeutschland ist der Bankenmarkt hart umkämpft. Die Sparkassen werfen den Privatbanken „falsches Spiel“ vor, die wiederum klagen in Brüssel  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – Der Sparkassenverband schimpft über die „Macht der Banken“ und reagiert ansonsten bissig: „Für die Bedürfnisse der Menschen wäre ein Europa der Großbanken ein schlechtes Vorzeichen!“ Die Geldgiganten betrieben „ein falsches Spiel“ und wollten sich eigentlich nur den stärksten Rivalen vom Halse schaffen, wirft der Sparkassenverband in Bonn seiner privaten Konkurrenz vor. Konsequenterweise kam es zum Teilauszug aus dem Zentralen Kreditausschuß (ZKA), dem oberster Rat der Finanzbranche – in bankpolitischen Fragen verweigern sich die Sparkassen jetzt.

Vorausgegangen war eine Schelte des Bundesverbandes deutscher Banken. Der hatte den Sparkassen Ende März vorgeworfen, Privilegien und Wettbewerbsvorteile „um jeden Preis“ behalten zu wollen.

Akuter Reibungspunkt ist eine Beschwerde der privaten Banken bei der Europäischen Kommission, die schon vor vier Jahren eingereicht wurde, jetzt aber bald zur Entscheidung anstehen könnte. Die Klage betrifft das Eigenkapital der Sparkassen und damit den möglichen Umfang von Krediten und Finanzanlagen, denn es gilt der Grundsatz: „Je höher das Eigenkapital, desto größer das erlaubte Geschäftsvolumen.“ Der Vorwurf der Kreditinstitute lautet nun, die Sparkassen würden Vermögen als Eigenkapital bewerten, das keines sei – oder es werde von den Eigentümern, den Kommunen, zu billig bereitgestellt. Damit entstünden irreguläre Wettbewerbsvorteile.

Auslöser war ehedem die Anerkennung der nordrhein-westfälischen Wohnungsbauförderungsanstalt als Eigenkapital der Westdeutschen Landesbank gewesen. Grundsätze zur Wettbewerbsgleichheit von Sparkassen und Banken fanden dann im Sommer 1997 auch Eingang in die Schlußakte des EU-Vertrags von Amsterdam. Seitdem prüft die Europäische Kommission, ob die quasi- staatlichen Sparkassen in Deutschland mit den Wettbewerbsnormen übereinstimmen.

Kritisch beäugt wird vorrangig der öffentlich-rechtliche Status der Sparkassen, Landesbanken und Girozentralen. Länder und Kommunen stehen dadurch in der sogenannten Gewährshaftung für ihre Sparkasse. Bei einem Konkurs würde die öffentliche Hand rettend einspringen. „Ein privater Investor könnte eine vergleichbare Haftung, die die gesamte Geschäftstätigkeit der Bank schützt, nicht erbringen“, sehen sich die Privaten im Hintertreffen. Sie fürchten, daß sicherheitsbewußte Verbraucher zur Sparkasse an der Ecke wechseln könnten.

Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verteidigt sich mit dem Hinweis auf vielfältige öffentliche Aufgaben, etwa in der regionalen Strukturförderung: „Damit stehen wir gerade vor einer besonders schwierigen Aufgabe und genießen keine Privilegien und Subventionen.“

Vertrauen setzen die Sparkassen auf ihren Gewährsmann gegenüber Brüssel, nämlich Bundeskanzler Kohl. Dessen früherer Mitarbeiter Horst Köhler ist heute DSGV-Präsident. In einer Stellungnahme für die EU-Kommission hat sich die Bundesregierung demonstrativ hinter die Sparkassen gestellt.

Unter der gespannten Politoberfläche wird vehement um Marktanteile gestritten. Dank des dichten Filialnetzes und einer traditionsreichen Verankerung in den Regionen halten die Sparkassen einen bundesweiten Marktanteil von 18,6 Prozent, ihre Girozentralen decken noch einmal soviel ab. Auf über drei Billionen D-Mark beläuft sich das Geschäftsvolumen des ganzen Sektors und erreicht damit fast die Höhe des deutschen Bruttoinlandsproduktes!

Schuld an der scharfen Auseinandersetzung sind einerseits der härter gewordene Konkurrenz- und Verteilungskampf in der Branche sowie die akuten Schwierigkeiten der privaten Banken, in Ostdeutschland wie gewohnt Fuß zu fassen. Andererseits fürchten die Sparkassen neuerliche Forderungen nach einer Privatisierung, wie sie auch aus rot-grünen Kreisen kommen. „Wir vermuten, daß es die eigentliche Strategie der Großbanken ist, sich dann in die starke Marktposition der Sparkassen einzukaufen“, meint ein Sparkassensprecher.

Gestritten wird inzwischen auch ganz handfest: Kürzlich sperrte die Stadtsparkasse Bonn ihre Geldautomaten für Kunden der Bank 24 (Deutsche-Bank-Gruppe). Andere Sparkassen belasten Kunden von der privaten Konkurrenz mit bis zu zehn Mark für eine einzige Auszahlung. Damit reagieren die Sparkassen auf die vornehmlich von privaten Finanzgiganten gegründeten Direktbanken, die ohne teure Filialen auskommen. Deren Kundschaft holt sich ihr Bargeld aus dem Geldautomaten, oft aus einem der örtlichen Sparkasse.