Sägespäne sorgten für die richtige Farbe

Eines der renommiertesten Bordeaux-Weingüter soll seinen Wein mit Milch und Säure gepanscht haben  ■ Von Manfred Kriener

Berlin (taz) – Ein neuer Weinskandal ist ausgerechnet im prestigeträchtigsten Anbaugebiet der Welt aufgedeckt worden. In der Appellation Margaux, die zum großen Bordeaux-Gebiet gehört, sitzt einer der renommiertesten Erzeuger auf der Anklagebank, Chateau Giscours. Dem Weingut wird eine Reihe von betrügerischen Manipulationen vorgeworfen, wie die französische Tageszeitung Le Monde gestern enthüllte.

Auf dem Gut, das sich zur Crème der weltbesten Weinmacher zählt, soll der bei großen Weinen gewünschte Eichenholzton durch den Zusatz von Sägespänen und Holzbrettern illegal erzeugt worden sein. Diese zuerst von australischen Önologen angewandte Praxis ist zwar in vielen Ländern erlaubt, bei französischen AOC- Weinen aber streng verboten. Durch die verwendeten Sägespäne konnte der Einsatz der teuren Barriquefässer beim Ausbau der Weine reduziert werden.

Die Kritik geht aber noch weiter. Der Geschäftsführung des Guts und dem früheren Generaldirektor wird außerdem vorgeworfen, den Mosten in geringen Mengen Milch, Wasser und künstliche Säuren zugesetzt zu haben. Außerdem seien Weine illegal verschnitten worden.

Die Machenschaften betreffen vor allem den Zweitwein von Giscours. Die Spitzenerzeuger im Bordeaux-Gebiet produzieren neben dem Chateau-Wein in der Regel noch eine kleinere Qualität als Zweitwein, mit dem aber ebenfalls gute Geschäfte gemacht werden. Bei Giscours soll der etwas dünn geratene Zweitwein durch Moste aus einem anderen Anbaugebiet aufgebessert worden sein. Außerdem seien Weine verschiedener Jahrgänge gemixt worden.

Die Manipulationen sind schriftlich dokumentiert. Zudem sollen zwei entlassene Beschäftigte des Weinguts sie bestätigt haben. Chateau Giscours hatte gestern nachmittag eine Erklärung seiner Anwälte angekündigt, die bei Redaktionsschluß noch nicht vorlag. Die Sprecherin des Weinguts bat „um Vertrauen“ und sagte auf Anfrage, daß „wir die Dinge aufklären werden“.

Der frühere französische Landwirtschaftsminister Philippe Vasseur bezeichnete den Betrugsverdacht als „äußerst schwerwiegend“. Er verlangte harte Bestrafung, denn das Ansehen des gesamten französischen Weinbaus sei in Gefahr. Die Region hatte mit ihren Spitzenweinen zuletzt einen weltweiten Nachfrageboom erlebt, der die Preise in sphärische Höhen trieb. Davon hatte auch Giscours profitiert. Auf dem Weingut wird auf einer Riesenfläche von 80,5 Hektar Wein erzeugt. Die aktuelle Degustation des 97er Jahrgangs verhieß Großes: „Eleganter Kirschduft, filigrane Frucht, süßliche Würze.“