„Kälte ist eine Idee aus den 80ern“

■ Die Düsseldorfer Electro-Pop-Formation Kreidler über Gebrauchsmusik, das Verhältnis von großen Gefühlen und kalten Sounds und die politische Dimension von Instrumentalmusik

Mitte der neunziger Jahre öffnete sich die musikalische Welt ein bißchen. Neue Betrachtungsweisen lösten das starr separierte Verhältnis zwischen traditionellen und modernen Instrumenten ab. Hörgewohnheiten, Sounds und Songstrukturen befanden sich im Umbruch. In diese Situation hinein veröffentlichten Kreidler ihre auf 500 Stück limitierte Mini-LP, später erschien ihre LP Weekend. Trotz ihres Bandformats konzentrierte sich die Diskussion um die Band auf die große Schnittstelle am Mischpult, bei der niemand fragt, ob das Tonsignal analogen oder digitalen Ursprungs ist.

Heute hat sich die Szenerie ausdifferenziert, die Gräben zwischen den unterschiedlichen Subsystemen werden wieder etwas tiefer geschaufelt. Und obwohl das vermeintlich schlechtere Ausgangsbedingungen sind, ist das neue Album unverkrampfter, aber auch unspektakulärer geraten. Appearance And The Park bewegt sich in Richtung Song. Jedoch kann die kühle Bedachtheit von Kreidler ihren Hang zum großen Gefühl nicht verleugnen.

taz: Wußtet ihr bevor ihr ins Studio gegangen seid, genau, was ihr machen wollt?

Detlef Weinrich (DJ, Samples): Ja, wir hatten schon explizite Vorstellungen. Es sollte vor allem besser klingen. Weekend war für unseren Geschmack zu harmlos produziert. Deshalb haben wir uns für das Mouse on Mars-Studio entschieden.

Andreas Reihse (Keybords): Auf Tape-Aufnahmen hatte mich unser Sound vorher an eine Schrammel-Punk-Band erinnert. Das war der Moment, in dem der Sound wichtig wurde. Ich glaube, wir wollten mit Appearance And The Park eigentlich eine Pop-Platte machen. Dabei sollte es künstlich klingen. Das Unwort des letzten Jahres war ja Moog. Grauenhaft: warme Sounds, menschlich, human touch. Es ist einfach ein Keyboard und klingt wie ein Keyboard. Wenn man einen Stein anfaßt, hat der auch einen human touch.

Detlef Weinrich: Diese Kälte ist für mich eine Idee aus den 80er Jahren. Das Tolle an den 80ern war das Modell für große Gefühle, während der Sound an sich kalt blieb. Die ganzen elektronischen Sachen verlaßen sich zu sehr auf den Sound.

Andreas Reihse: Wir sind in den 80ern aufgewachsen. Appearance And The Park gibt aber keine Authentizität vor, denn wir wollten keine Retro-Platte machen. Weekend hatte zu oft Krautrock-Zuschreibungen bekommen.

Oft wird solcher Musik, wie „Kreidler“ sie machen, vorgeworfen, sie sei Gebrauchsmusik.

Andreas Reihse: Musik ist immer Gebrauchsmusik. Ich habe die erste Oval einen ganzen Winter bei allen Dingen, die ich gemacht habe, gehört. Es ist toll, wenn Musik den Raum macht. Appearance And The Park soll an verschiedenen Orten funktionieren. Vielleicht bekommt Instrumental-Musik so eine politische Dimension? Vielleicht kannst du mit Oval genauso jemanden verändern wie mit Ton Steine Scherben? Denn Musik öffnet immer einen Raum. Und der ist immer politisch. Interview: Sven Opitz mit ADD N To X: Do, 4. Juni, 21 Uhr, Hafenklangstudio