Geld und Herkunft sind nicht alles

Die kalifornischen Vorwahlen werfen Fragen für die gesamten USA auf. Ende des zweisprachigen Unterrichts  ■ Aus Los Angeles Peter Tautfest

1998 ist in den USA Wahljahr. Im November stehen die sogenannten Halbzeitwahlen an, bei denen außer lokalen Politikern auch das Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt werden. Die dazugehörigen Vorwahlen sind kein Publikumsmagnet, Wahlbeteiligungen liegen oft unter 20 Prozent. Doch dieses Mal war in Kalifornien alles ganz anders. Denn die Wähler trafen eine Reihe von Entscheidungen von überregionaler Bedeutung.

Zunächst entschieden sie, welcher der demokratischen Konkurrenten im Herbst gegen den republikanischen Kandidaten antreten soll. Namen sind Schall und Rauch, und daß jemand namens Gray Davis gewonnen hat, wäre außerhalb Kaliforniens kaum von Interesse, wenn er nicht ein Grundgesetz amerikanischer Politik auf den Kopf gestellt hätte. Davis trat nämlich gegen zwei Multimillionäre an, die die 100 Millionen Dollar aus ihrem Privatvermögen in einen weitgehend virtuellen Wahlkampf gesteckt haben. Doch Kaliforniens Wähler scheint die glitzernde Fernsehkampagne des Geschäftsmannes Al Checchi und des Abgeordneten Jane Harman eher angewidert zu haben. Sie gaben ihre Stimme dem Schlußlicht im Rennen. Merke: Geld ist in der amerikanischen Politik doch nicht alles.

Außerdem entschieden die Wähler über zwei Volksabstimmungen, die auch landesweit leidenschaftlich debattiert werden. Unentschieden war bei Redaktionsschluß der Ausgang der Abstimmung über ein Gesetz, das es den Gewerkschaften untersagen soll, Parteispenden aus Mitgliederbeiträgen zu finanzieren, ohne die schriftliche Zustimmung aller Gewerkschaftsmitglieder einzuholen. Während die Republikaner ihre Spenden aus der Wirtschaft bekommen – ohne daß die Aktieninhaber ihre Zustimmung geben müssen –, sind Gewerkschaftsgelder eine wichtige Finanzquelle der Demokraten. Diese Volksabstimmung war eine Runde im härter werdenden Kampf der Parteien um Geld, und die Knappheit des Ausgangs dieser Frage spiegelt die Intensität der Auseinandersetzung um die Rolle wider, die Geld in der Politik spielen darf.

Mit großer Mehrheit beendeten die Wähler bei einem zweiten Referendum Kaliforniens 25jähriges Experiment mit zweisprachigem Unterricht. Während bisher die Kinder von Immigranten zunächst in ihrer eigenen Sprache – meist Spanisch – Lesen und Schreiben lernten und erst allmählich in englischsprachige Klassen eingegliedert werden, erhalten sie jetzt unabhängig von Alter und Klassenstufe einen einjährigen Crashkurs im Englischen. Ron Unz, ein Multimillionär aus Silicon Valley, hatte diese Initiative auf den Wahlzettel gebracht. Er fand, daß zu viele Schulabgänger – die meisten davon Immigranten aus Latein- und Mittelamerika – als funktionale Analphabeten auf den Arbeitsmarkt traten (siehe taz-Reportage vom 2. Juni).

Mit Spannung wurden diese Wahlen beobachtet, weil sie als ein Hinweis auf das politische Verhalten der wachsenden hispanischen Bevölkerung und deren Wahlbeteiligung gilt. Viele Hispanics stimmten gegen zweisprachigen Unterricht, weil sie wollen, daß ihre Kinder schneller Englisch lernen. Merke: Auch nationale Herkunft ist nicht alles.