"Wir haben nichts zu verstecken"

■ Shell legt heute den Grundstein für die weltgrößte Solarzellenfabrik: Fritz Vahrenholt über seine neue Rolle als Shell-Umweltvorstand und die Bedeutung der Sonnenenergie für den Konzern

taz: Sie waren vorher Hamburger Umweltsenator. Können Sie nun als Vorstandsmitglied bei Shell mehr erreichen?

Fritz Vahrenholt: Bei erneuerbaren Energien wie Solarzellen und bei neuen umweltfreundlichen Produkten glaube ich das schon. Da fallen die wichtigen Entscheidungen in der Industrie. Überhaupt verlagern sich die Aufgaben des Umweltschutzes zunehmend vom Staat auf die Unternehmen.

Ihr Chef, der Vorstandsvorsitzende Laufs, sprach von einer Kulturveränderung bei Shell, die er auch mit Ihrer Einstellung als Umweltvorstand verbindet.

Die ist schon da. Sie wurde ausgelöst, durch das, was wir bei Shell „Erdbeben“ nennen, nämlich Brent Spar. Wir haben erkannt, daß ein Konzern nicht gegen die Hoffnungen und Wünsche von Nachbarn, Verbrauchern und Umweltgruppen agieren kann. Unser wirtschaftlicher Erfolg hängt auch vom Schutz der Menschenrechte und der Umwelt ab.

Was folgt konkret daraus?

Ein Umweltbericht, wie wir ihn jetzt veröffentlicht haben, ist zwar unter Ölunternehmen etwas Neues, in der Industrie aber schon länger nicht mehr. Wir wollen daher mehr Transparenz zeigen: Dazu sind wir mit Umweltverbänden im Gespräch, die wir in unsere Arbeit einbeziehen wollen.

Welche sind das?

Zum Beispiel in Peru, wo wir in großem Stil Gas fördern wollen, haben wir die lokalen Sozial- und Umweltinitiativen gebeten, unser Projekt zu überwachen und zu bewerten. Hierzulande fangen die Gespräche beim Ökoinstitut an und hören bei Greenpeace auf. Da gibt es aber noch keine konkrete Zusammenarbeit. Wir überlegen uns auch, uns einer Fernüberwachung zu öffnen, also unsere Meßdaten direkt aus der Raffinerie in die Überwachungsbehörde zu übermitteln. Auf Wunsch auch an die Öffentlichkeit – wir haben da nichts zu verstecken.

Es geht also vor allem darum, das was bei Shell passiert, transparent zu machen. Daher auch die Verknüpfung Ihrer Verantwortung für Umweltschutz und PR?

Genau. Auch früher hat Shell schon viel Gutes gemacht, es aber versäumt, das rüberzubringen.

Was denn zum Beispiel?

Shell ist zum Beispiel Vorreiter bei der Einführung benzolarmen Benzins der Sorte „Super-plus“ gewesen. Der Absatz läßt jedoch zu wünschen übrig.

Was könnten Sie daran ändern?

Man könnte das den Autofahrern noch besser erklären, warum es gut ist, benzolarm zu tanken. Aber derartige Initiativen können natürlich dazu führen, daß man geschäftlich Nachteile hat. Da kommt man schon ins Grübeln.

Und was ist an dieser Stelle der Unterschied zwischen Shell mit Herrn Vahrenholt und Shell ohne Herrn Vahrenholt?

Daß ich mir natürlich auch in Zukunft wünsche, daß wir solche Versuche unternehmen. Und daß ich die Solarpläne von Shell vorantreiben möchte.

Wie sehen die aus?

Heute legen wir in Gelsenkirchen den Grundstein für die weltgrößte Solarzellenfabrik. Geplanter Ausstoß: Solarzellen für 25 Megawatt Strom pro Jahr. Parallel dazu wollen wir die Technologie so weiterentwickeln, daß wir bis Mitte des Jahrzehnts wettbewerbsfähigen Solarstrom bekommen. Heute liegen die Kosten bei 1,60 bis 1,80 Mark pro Kilowattstunde, unsere Serienproduktion soll die Kosten auf 1,20 drücken, und mit neuer Technologie hoffen wir den Preis bis 2010 auf fünfzig Pfennig senken zu können.

Wieviel investiert Shell da?

In der Fabrik sind das voraussichtlich 10 Millionen Mark fürs Gebäude und 30 Millionen in die Technik. Natürlich ist das gemessen an Shells Gesamtinvestitionen wenig, gemessen an dem, was in der Solarbranche aufgewandt wird, ist das aber ein ganz großer Schritt.

Weltweit will Shell in zehn Jahren 500 Millionen Dollar in erneuerbare Energien investieren. Das ist gerade so viel wie der Reingewinn von Shell Deutschland allein im vergangenen Jahr.

Es kommt nicht darauf an, jetzt mit großen Summen zu hantieren, sondern kontinuierlich zu investieren. Es macht auch keinen Sinn, jetzt viel Geld in Techniken zu investieren, die möglicherweise in drei Jahren schon überholt sind.

Wird Shell mit seinen fossilen Energien in 20, 30 Jahren seinen Zenit überschritten haben?

Nach unseren Schätzungen dürfte die Verfügbarkeit fossiler Energien nach dem Jahr 2020 ihren Höhepunkt erreicht haben, dann wird es runtergehen. Danach muß die erneuerbare Energie diesen Rückgang kompensieren. Wichtig ist für uns, hier einen entscheidenden Anteil am Weltmarkt zu besetzen.

Was ist bei Shell die wichtigste ökologische Herausforderung?

Es ist nicht schwer, Solarzellen herzustellen. Viel schwerer ist es, einen Markt dafür zu erschließen. Daß die Zellen auch auf die Dächer kommen, das wird noch viel Arbeit für uns.

Vor drei Jahren gehörten Sie zu den Shell-Gegnern, als es um die Versenkung der Brent Spar ging.

Das ist richtig. Ich habe damals aber auch den überkritischen Umgang mit Shell kritisiert. Wir sehen, daß auch hier ein Umdenkprozeß eingesetzt hat. Unser Ziel ist es, die Ölplattformen so gut es geht an Land zu entsorgen. Es gibt einige wenige Problemfälle, nämlich die ganz großen Plattformen, die überwiegend aus Beton gebaut sind. Da muß man sehen, ob man die vollständig abbauen kann. Dieses Problem sieht aber auch Greenpeace.

Also ist die Entsorgung der Plattformen für Sie nicht mehr das größte Problem.

Nein, problematischer ist die Bohrung selbst. Die Förderunternehmen haben in der Vergangenheit das ausgebohrte Gestein, an dem auch Reste der ölhaltigen Bohrflüssigkeit hafteten, auf dem Meeresgrund abgeladen. Aber meine jüngste Besichtigung hat mich sehr beeindruckt, wie gut die britische Shell mittlerweile mit diesem Problem umgeht.

Wie war Ihr Start bei Shell? Prallten da nicht zwei Welten aufeinander?

Na klar. In der Politik spielt sich ja alles mehr oder weniger in der Öffentlichkeit ab. Im Unternehmen nicht, das ist ein fundamentaler Unterschied. Ich habe es bei Shell aber leichter, weil ich ja in einer Phase dazustoße, wo Öffentlichkeit gefragt ist.

Also müßten Sie Greenpeace eigentlich dankbar sein.

(lacht) Dankbar nicht, aber wir haben die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

Sind Sie fertig mit der Politik?

Ich werde nun nicht unpolitisch, aber ein politisches Amt strebe ich nicht mehr an.

Interview: Matthias Urbach