Notfalls 52 Tage weiter streiken

Frankreichs PilotInnen streiken weiter, die Flughäfen verwaisen zusehends. Ihre KollegInnen sind kaum solidarisch – überlegen jetzt aber ihrerseits Streiks für die WM-Zeit  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Piloten kennt die rot gewandete Hostesse am Check-in von Air France nicht. Zumindest nicht persönlich. „Die kommen allenfalls mal hierher, wenn sie ihre Gattin an der Warteschlange vorbei gleich nach vorne zum Schalter bringen wollten“, ergänzt ein junger Mann vom Bodenpersonal derselben Fluggesellschaft. Seit die PilotInnen am Montag in den Streik getreten sind, müssen die beiden am Flughafen „Charles de Gaulle“ bei Paris aufgebrachte PassagierInnen beruhigen und ihnen Entschädigungen oder Ausweichflüge organisieren.

Seit die Streikenden am ersten Tag ihre Entschlossenheit deutlich gemacht haben, wagen sich nur noch wenige Passagiere bis zu den Flughäfen vor. Gestern war der Terminal 2 am Charles-de-Gaulle- Flughafen, an dem sonst zahlreiche internationale Air-France-Flüge starten, fast verwaist. Ein roter Schriftzug „annule“ prangte auf den Anschlagstafeln hinter den Flügen nach Göteborg, Frankfurt, Miami und den Rest der Welt. Bis Mittag waren bloß zwei Flüge nach New York bestätigt. Aus der „Sportsbar“ neben den Air-France-Schaltern, die Fußballfähnchen zwischen ihren Sandwichfotos aufgehängt und das WM-Maskottchen „Footix“ mit einer Joghurtwerbung aufgestellt hat, dröhnt Jazzmusik. Zwischen drei einsamen Gästen an Bistrotischen tänzelt ein an Kopfhaar und Schnäuzer ergrauter Fußballer im giftgrünen Hawaiihemd über den weißen Marmorboden. Dabei dribbelt er ein Zwei-Francs-Stück kunstvoll mit Stirn, Knie und Ferse.

Die PilotInnen haben sich nicht unters gemeine Flugvolk gemischt. Statt dessen haben sie ihren KollegInnen in den anderen Bereichen von Air France am Montag mit einem Brief erklärt, warum sie streiken: Sie wollen weder zwei unterschiedliche Lohngruppen für dieselbe Arbeit, noch Lohnkürzungen von 15 Prozent in Kauf nehmen. „Das ist verständlich“, sagt eine Kundenbetreuerin von Air France, „ich würde auch nicht einfach ja sagen, wenn man mir weniger zahlen würde. Aber auf unser Mitleid dürfen die Piloten nicht spekulieren. Dazu verdienen sie zu gut.“

Bei Air France ist jede Gruppe getrennt organisiert. Allein die Piloten verteilen sich auf mehrere Gewerkschaften, deren größte, die SNPL, ihrem Ruf einer ständischen Vertretung alle Ehre macht. Das Bord- und Verkaufspersonal hat mehrere, getrennte Gewerkschaften. Ganz abgesehen von den vielen, die überhaupt nicht organisiert sind. „Wir Franzosen sind Individualisten“, sagt die Air-France-Kundenbetreuerin, „da ist es schwer, alle zusammenzubringen.“

„Warum wollen Sie zu der Pilotengewerkschaft gehen?“ fragt der Fahrer des Aiport-Busses. „Reden Sie mal Tacheles mit denen, damit die kapieren, daß sie jetzt lang genug gestreikt haben“, ruft ein Buspassagier dazwischen. Der Busfahrer genießt derweil die Ruhe dieses sonnigen, ruhigen Flughafentags. „Achtung, Turbulenzen“, ruft er nach hinten in seinen Bus hinein, als er in eine Kurve rast, wo sich an normalen Tagen der Verkehr staut.

Die PilotInnen haben sich im Hauptquartier von Air France eingebunkert. An der Rezeption kommen nur „autorisierte Personen“ vorbei. Persönliche Racheakte von FlugpassagierInnen sind also ausgeschlossen. Nach der gescheiterten ersten Verhandlungsrunde mit der Unternehmensführung erklärte ihr Sprecher am Dienstag abend: „Air France hätte kaum sturer sein können.“ Ein junger Pilot, der zu der umstrittenen neuen Niedriglohngruppe gehört, sagt, er sei „notfalls bereit“, 52 Tage zu streiken: „so viel, wie die mir Lohn kürzen wollen“.

Während sich immer mehr PolitikerInnen gegen die Streikbewegung aussprechen, kündigten gestern andere Bereiche ihre Streiks an. Für heute ruft die CGT zu Arbeitsniederlegungen in der Pariser Metró und anderen öffentlichen Transporten auf. Am 10. Juni, zum WM-Auftakt, wollen die Lokomotivführer streiken.