Hauser redet sich um Kopf und Kohl

■ Regierungssprecher droht den Ostdeutschen mit dem Ende der Solidarität, wenn sie weiterhin wählen, wie sie wollen. Selbst von CDU-Parteifreunden wird Hauser mittlerweile kritisiert

Berlin (taz) – Regierungssprecher Otto Hauser (CDU) kommt, obwohl gerade eine Woche im Amt, in schwere Wetter. Nachdem er den ostdeutschen WählerInnen drohte, brach nicht nur der wahlkampfübliche Entrüstungssturm los. Auch Parteifreunde, Verfassungsrechtler und Journalisten sind irritiert vom Auftreten des Sprechers. „Wir werden uns nicht mehr lange anschauen, wie Herr Hauser die Grenzen zwischen Parteiwerbung und amtlichen Verlautbarungen verwischt“, hieß es gestern in Kreisen der Bundespressekonferenz. Die Institution besteht aus den über 700 Bonner ParlamentsberichterstatterInnen in Bonn. Sie veranstaltet und moderiert die Zusammentreffen zwischen Presse und Bundesregierung.

Regierungssprecher Hauser hatte in der Chemnitzer Freien Presse die Ostdeutschen vor einem Linksruck gewarnt: „Die Westdeutschen fragen sich natürlich, wir helfen beim Aufbau im Osten mit, und dann wird links gewählt“, äußerte der geborene Schwabe Hauser. „Die Menschen in Ostdeutschland sollten aber wissen, daß die Hilfsbereitschaft mit der Wahl von Extremisten nicht überstrapaziert werden darf.“ Der 45jährige präzisierte zudem seinen Vergleich von Nationalsozialisten und PDS. Wie auch die Nazis hätten Kommunisten „genauso eine organisierte Vernichtung von Menschen“ betrieben. Ein solches Anzweifeln der historischen Unvergleichbarkeit des Holocaust hatte vor zehn Jahren zum erbittert geführten Historikerstreit in der Bundesrepublik geführt.

Wegen Hausers erneuter Entgleisung hagelte es Kritik und Empörung über alle Parteigrenzen hinweg. Die PDS monierte, „Hauser bagatellisiert Verbrechen der Nazis“. Die Bündnisgrünen forderten „Nachhilfe in Demokratie“ für den Sprecher. Sein Berliner Parteifreund Elmar Pieroth (CDU) erteilte prompt eine Lehrstunde für den Sprecher, „der nicht genügend mit der Geschichte der SED“ vertraut sei: „Man sollte nicht diejenigen, die von Nazis als Antifaschisten bekämpft wurden, mit Nazis gleichsetzen.“

Hinzu kommen verfassungsmäßige Zweifel am werbenden und aggressiven Gebaren Hausers. Die Regierung sei in ihrer Öffentlichkeitsarbeit der Pflicht unterworfen, „die Wahlentscheidung des Bürgers nicht im Interesse ihrer eigenen Machterhaltung zu beeinflussen“. So lautet ein unter Staatsrechtlern allgemein anerkannter Spruch des Verfassungsgerichts. Die Regierungsneutralität gelte vor allem vor Wahlen. Ex-Regierungssprecher Klaus Bölling rügte gegenüber der taz das Hausersche Doppelamt als Regierungssprecher und Abgeordneter. „Das ist eine ganz unglückliche Konstruktion und sehr unbefriedigend für das Bonner Pressekorps“, sagte der angesehene Polit-Rentier, der mit seiner Meinung nicht allein steht. Bis zur FAZ herrscht Verdruß über den Propagandastil Hausers. Ob links oder rechts, „wir haben alle gemein, daß wir nicht missioniert werden sollen“, so Parlamentsreporter Thomas Wittke vom staatstragenden Bonner Generalanzeiger über Hausers Stil.

Andere Kollegen zitieren Hauser mit Freude. Die Nachrichtenbagentur AP verbreitete eine Hauser-Äußerung über das Wahlverhalten der Ostdeutschen: „Ich finde, man darf nicht nur auf einem Auge blind sein.“ Christian Füller