Jazz für Daheimgebliebene ohne eine Spur von Stallgeruch

■ The Lady from Bremen sings the Blues: Romy Camerun trat mit Band im Moments auf und zeigte, wie süffisant Jazz sein kann

Die Bremer Jazz-Szene ist lebendiger als ihr Ruf, und inzwischen ist das ironische Herabsehen von einigen ach so weltläufigen heimischen Jazz-Fans eher ein Hinweis auf deren eigenen Provinzialismus. Um so schöner ist es, wenn die Musiker selbst souverän mit diesem Klischee spielen, wie etwa am Mittwoch abend im Moments. Dort wurde Joe Dinkelbach als der Pianist der Band von Romy Camerun und als Landwirt vorgestellt. Aber die Musik, die dann zu hören war, hatte keinerlei Stallgeruch an sich: Es war solide gespielter Mainstream-Jazz.

Die Musiker hatten offensichtlich keinerlei Ehrgeiz, besonders originell zu klingen, aber innerhalb der Konventionen und Grenzen des Genres spielten sie erstaunlich intensiv, frisch und mit einem Enthusiasmus, der sich schnell auf das Publikum übertrug. Balladen und Standards aus den Songbooks der Klassiker wurden hier meist interpretiert: „You don't knew what love is“ oder „Love for sale“. Als Grenzpunkte ein Song aus der „West Side Story“ und Billy Joels „New York is a state of mind.“ Die eingestreuten Eigenkompositionen waren den anderen Songs so gekonnt nachempfunden, daß sie sich nahtlos einfügten. Hier wurde der Klassizismus im Jazz gefeiert, aber so what!

Wie alle guten Jazzsängerinnen versteht es Romy Camerun, eine feine Balance zwischen Gefühl und Virtuosität, zwischen der Geschichte, die der Song erzählt, und der Improvisation zu halten. Ihre Vorbilder sind offensichtlich Ella Fitzgerald, Betty Carter und Billie Holiday. Am schönsten kam ihre Altstimme am Mittwoch abend bei den langsamen Balladen zur Geltung. Das klang alles sehr schwarz und amerikanisch, und ihre sympathisch lockeren Zwischenansagen in eindeutig norddeutschem Tonfall bildeten dazu jedesmal wieder einen spannenden Kontrast. Wenn sie sich am tiefsten in ihre Scat-Improvisationen einfühlte, sah man sie mit ein paar Gesten jeweils Luft-Posaune oder -Saxophon spielen, aber schon lange vorher konnte man hören, welches Instrument sie nachahmte.

Perfekt ergänzt wurde sie dabei durch den Saxophonisten Frank Delle, der ein erdiges, tiefes Tenor spielte. Und auch Landwirt Dinkelbach am Piano, Olaf Casimir auf dem sehr melodisch gezupften Baß und der subtil swingende Schlagzeuger Helge Zumdiek ergänzten sich glänzend bei diesem Auftritt, der übrigens von Radio Bremen aufgenommen wurde. Sympathisch war auch, daß sich Romy Camerun nicht wie eine Primadonna gebärdete, die ihre Mitspieler zu musikalischen Zulieferern reduzierte. Abgesehen vom Schlagzeuger hatte jeder Musiker genügend Freiraum für schöne, ausführliche Soli, und die Band war blendend eingespielt. Ein angenehmer Abend mit süffigem, im besten Sinne des Wortes solidem Jazz also. Merkwürdig war nur, daß (anders als bei anderen Jazz-Konzerten) viel mehr Frauen als Männer ins Moments gekommen waren. Dies wurde offenbar als ein „Women in (E)Motion“-Konzert außer der Reihe angesehen. Wilfried Hippen