Zwischen den Rillen
: Mitten ins Gesicht

■ Fight for your right to Paki: Asian Dub Foundation und Fun-Da-Mental

Bis vor kurzem waren Nachkommen der Immigranten vom indischen Subkontinent in der britischen Popszene schlichtweg nicht vertreten – abgesehen von Ausnahmen wie Apache Indian und Babylon Zoo. Daß sich das mittlerweile geändert hat, ist nicht zuletzt Aki Nawaz' Verdienst. Der ehemalige Drummer von Southern Death Cult (die nach seinem Weggang als The Cult erst richtig bekannt werden sollten) begründete vor gut zehn Jahren das Plattenlabel Nation, das insbesondere Projekten mit indisch-asiatischem Einschlag ein Forum bot.

Den Prototyp für einen solches Modell schuf Aki Nawaz mit seiner Band Fun-Da-Mental selbst: Kompromißloser Hardcore-Hiphop mit Jungle Drive, gerne auch unterfüttert mit traditioneller Dhol-Percussion aus dem Punjab, mit islamischem Qawwali-Gesang oder anderen Elementen pakistanischer Populärmusik. Ihr unterbewertetes Debüt „Seize the Time“ setzte den Maßstab: immer mitten ins Gesicht.

Doch es war weniger der innovative Sound der Band aus Bradford als vielmehr ihr aggressiver Antirassismus, welcher ihnen seitens der britischen Musikpresse das Etikett einbrachte, die „Asian Public Enemy“ zu sein. Ein kontroverses Musikvideo, das von Selbstjustiz gegen Nazigewalt handelte, und Navaz' öffentlich erklärte Sympathien für die afroamerikanische Kaderpartei Nation of Islam brachten Fun-Da- Mental in den Ruch, ein Haufen militanter Muslime zu sein. Angst vor einem Paki-Planeten? Dabei ist Aki Navaz, der gerne mit riesigem Allah-Amulett durch die Gegend spaziert, alles andere als ein Separatist – das zeigt allein schon ein Blick auf die fast bilderbuchhafte multiethnische Zusammensetzung der Band –, sondern vor allem entschiedener Moralist. Auf dem neuen Album „Erotic Terrorism“ wird das besonders deutlich: Läßt sich das trashige Cover-Motiv im Stil eines Bollywood-Filmplakats mit blutbeflecktem Paki-Rambo noch als ironischer Kommentar zum westlichen „Feindbild Islam“ lesen, gefriert einem spätestens beim Blättern durchs Booklet das Lächeln. Drastischen Bildern gefolterter, getöteter und erniedrigter Menschen steht, als Kontrast wie als Ermahnung, die UNO-Charta der Menschenrechte gegenüber, am Ende ergänzt durch die Aufforderung „Support Amnesty International“.

Letzteres könnte zwar auch Sting unterschreiben, doch nie solche Musik machen. Wütend kracht der metallene Maschinengroove scheppernder Breakbeats über verzerrte Sample- Fragmente, mengt sich zur agitatorischen Wort-Ton-Collage. Das ist nicht nur sperrig, sondern streckenweise ziemlich schrecklich; einzig die Single „Ja Sha Taan“ (was soviel heißt wie: Gehe weg, Teufel) bringt etwas Licht in die dunkle Industrialhölle. Fun-Da-Mental lassen The Prodigy wie eine Horde alberner Pausenclowns aussehen.

Was ihre Texte angeht, sind auch Asian Dub Foundation wenig zimperlich: „A bullet in his head, won't bring back the dead/but it will lift the spirit of my people“, tönen sie auf dem Stück „Assasin“. Und mit der Single „Free Satpal Ram“ machen sie auf das Schicksal des ihrer Meinung nach zu Unrecht verurteilten Satpal Ram aufmerksam, der vor zwölf Jahren in Notwehr einen rassistischen Angreifer erstach. Ansonsten aber klingen ADF auf ihrem aktuellen Album „RAFI's Revenge“ deutlich gefälliger als ihre Paki-Power-Kollegen von Fun-Da-Mental.

Ihr Erstling „Facts and Fictions“ erschien einst auf dem Nation-Label. Doch dann lösten sich ADF vom Mutterschiff, und auf der Suche nach einem neuen Plattenvertrag begann für die Band eine transeuropäische Odyssee. Da in England niemand zugriff, unterschrieben ADF bei der Virgin- Filiale in Frankreich, wo im letzten Sommer ihr Album „R.A.F.I.“ erschien. Ein Schnellschuß, der zwar einen ansehnlichen Absatz erzielte, mit dem die Gruppe aber sehr unzufrieden war. Weswegen nun, mit frischem Vertrag in der Hand, in Deutschland und in Großbritannien mit einem Jahr Verspätung eine überarbeitete Fassung der Platte in die Läden kommt: „RAFI's Revenge“.

Ursprünglich geboren aus einem Soundsystem, das zu Antifa-Benefizveranstaltungen antrat, entwickelte sich ADF zur richtigen Band, die, verstärkt durch Gitarristen und Sample- Technologie und angetrieben von der Energie des erst 18 Jahre alten, aber überragenden Rappers Deeper Zaman alias Master D, eine gekonnte und durchweg funkige Verbindung von Postpunkrock, Breakbeats und indischen Einflüssen auf die Beine stellte. Schon lange klang politisches Aufbegehren nicht mehr so sexy.

Im Popkontext der Neunziger, in dem rebellischer Geist zur knappen Ressource geworden ist, bieten sich ADF wie Fun-Da-Mental als ideale Oberfläche für revolutionsromantische Projektionen und Erlösungshoffnungen an, um den identifikatorischen Bedarf nach Widerstand aus zweiter Hand zu decken. Doch während Fun- Da-Mental jeglicher Konsumierbarkeit abgesagt haben, scheinen ADF ambitioniert und fähig, ihr Anliegen bis in höchste Stadionrocksphären zu tragen. Diesen Sommer schon einmal auf einem Festival in ihrer Nähe. Daniel Bax

Fun-Da-Mental: „Erotic Terrorism“ (Nation/Beggars Banquet)

Asian Dub Foundation: „RAFI's Revenge“ (London/Motor)