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„Nichtteilnahme ist eine falsche Strategie“

■ Hessen droht, das AKW Biblis stillzulegen, wenn die Entsorgungsfrage nicht geklärt ist. Umweltministerin Priska Hinz (Bündnisgrüne) über Konsequenzen nach dem Castor-Skandal

taz: Befindet sich Hessen im einsamen Kampf gegen die Atomindustrie und das Bundesumweltministerium?

Priska Hinz: Das scheint so zu sein. Außer Hessen hat sich kein Land bereit erklärt, die Zuverlässigkeit der Betreiber von Atomkraftwerken und Atomanlagen zu überprüfen. Und nur ich habe bislang für das Land Hessen von Bundesumweltministerin Merkel verlangt, aus der Plutoniumwirtschaft auszusteigen und deshalb auf Dauer auf die Transporte abgebrannter Brennelemente nach La Hague und Sellafield zu verzichten. Und ich habe bei dem schlecht besuchten Umweltministertreffen am Dienstag abend in Bonn alleine die Einschaltung unabhängiger Gutachter bei der Suche nach den Ursachen für die Grenzwertüberschreitungen an den Castoren verlangt. Markige Worte von Merkel nach dem Skandal, aber keine Taten.

„Keine Taten“ aber auch in den SPD- und rot-grün regierten Bundesländern.

Richtig ist, daß an dem Treffen mit Merkel außer mir keine Umweltminister von SPD-regierten Ländern teilgenommen haben. Eine falsche Strategie. Denn es ging um die Festlegung des grundsätzlichen Umgangs mit dem Skandal und letztlich auch um den politischen Schlagabtausch. Und nicht darum, daß Fachbeamte klären sollten, welche Schraube wo locker war – oder auch nicht. Meine Kollegen aus meiner eigenen Partei in NRW, Schleswig-Holstein und Hamburg will ich aber in Schutz nehmen. Die sind in ihren Ländern nicht für die Atompolitik zuständig. Ich bin die einzige grüne Atomministerin. Wir werden jetzt die Zuverlässigkeit der Betreiber von Biblis, von RWE, prüfen. Und auch, ob es bei den Transporten Verstöße gegen die Strahlenschutzbestimmungen gegeben hat. Das kann ein halbes Jahr dauern.

Befürworten Sie den Bau neuer Zwischenlager an den Atomkraftwerken?

Ich befürworte zunächst einmal den Ausstieg aus der Plutoniumwirtschaft: Raus aus der Wiederaufarbeitung. Danach muß ein Atomausstiegsgesetz beschlossen werden. Und nur in diesem Zusammenhang ist dann die Entsorgungsfrage zu diskutieren. Atomtransporte sind der Bevölkerung nur noch zuzumuten, wenn klar ist, daß ausgestiegen wird und daß es ein Endlager gibt.

Also keine Transporte mehr nach La Hague und Sellafield, aber ohne Zwischenlager an den AKW weiterhin Transporte in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus.

Ob das diese Zwischenlager sind, muß noch geklärt werden.

Es gibt keine anderen. Und es gibt kein Endlager. Über den Sofortausstieg reden nicht einmal mehr die Bündnisgrünen.

Grundlage für alle Entscheidungen ist das Atomausstiegsgesetz. Dann kann auch die Entsorgung breit diskutiert werden. Das ist der zweite Schritt. Ich werde hier keine Entscheidung präjudizieren, wenn noch nicht einmal klar ist, daß der Atomausstieg tatsächlich beschlossen wird.

Alle reden vom Endlager. Aber auch die Bündnisgrünen sind offenbar nicht bereit, die Debatte um den Standort öffentlich zu führen.

Die Debatte wird geführt – intern. Es gibt unterschiedliche Interessen von unterschiedlichen Ländervertretern. Wir haben aber zunächst die Aufgabe, im Hinblick auf einen Wahlsieg von SPD und Grünen im Herbst, den Entwurf für ein wasserdichtes Ausstiegsgesetzt öffentlich zur Diskussion zu stellen. Danach wird dann sicher auch die Endlagerdebatte öffentlich geführt werden. Interview: K.-P. Klingelschmitt

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