Der multikulturelle Mann zum Anziehen

„Wer Vorurteile hat, braucht kein neues Outfit. Denn er ist ja unverbesserlich.“ Diese Textzeile zur obigen Anzeige für Männermode mit türkischem Gentleman in bestem Stöffchen unter türkischer Flagge brachte die Hürriyet auf die Barrikaden. In ihrer Türkeiausgabe vom 11. Februar wetterte sie auf der Titelseite heftig gegen die Werbebotschaft der Kreuzlinger Modefirma Strellson-meanswear.

Die Schreiber der Hürriyet vermuteten hinter dem Slogan den Vorwurf, Türken hätten Vorurteile. Die Werbeagentur der Firma fühlte sich gründlich mißverstanden. Hatte sie doch genau das Gegenteil bezweckt und im Trend der neuen Weltoffenheit für ihre Männermode geworben. „Unsere Anzeige macht deutlich: Strellson will nicht an Leute verkaufen, die Vorurteile gegen türkische Mitbürger haben“, schrieb sie an Hürriyet. Dort verstand man schließlich und klärte in einer Beilage über die wahre Intention der Anzeige auf.

Mit Reaktionen auf ihre Anzeigenkampagne hatte die Modefirma durchaus gerechnet – allerdings von rechts. Post von dort flatterte aber nur gerinfügig im Sinne von „Deutschland den Deutschen“ ins Haus. Vielleicht ist die rechte Szene nur wenig an Mode interessiert. Ganz passend erscheint da ein Motto von Strellson: „Wer Geschmack zeigt, der hat auch Kultur“.

Die Motive der Anzeigenserie von Strellson bestechen mit ihrer multikulturellen Männermischung und journalistischen Fotografie. Neben dem türkischen Mann posiert auf einem anderen Motiv ein Kubaner mit Havannazigarre. Textzeile: „Hier sehen Sie einen Havanna- Raucher in Havanna und den Sieg der Klasse über die Klassen.“ Oder ein Farbiger repräsentiert den modernen Manager in London mit der Bildunterschrift: „Wer sagt denn, daß die Chefs von morgen die gleichen sind wie die von gestern?“

Die Werbekampagne der Kreuzlinger Modefirma erregte Aufsehen. Vor allem: Sie wurde honoriert. „Ich beglückwünsche Sie zu dieser Anzeige“, schrieb einer der vielen Fans. „In Deutschland eine Kampagne zu starten für ein hochwertiges Produkt, für das eine Minderheit wirbt, die in der öffentlichen Meinung als sozial niedrigstehend eingestuft wird, ist außergewöhnlich.“ Ein anderer meinte: „Als Klamottenträger muß ich Ihnen sagen, daß ich meinen Strellson-Mantel – den ich, übrigens bevor Ihre Anzeigen liefen, erstanden habe – nun besonders gern trage.“

Auch in Bonn wurde man auf die Kampagne aufmerksam: Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter der Grünen, äußerte sich lobend: „Als einwanderungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und aufgrund meiner Herkunft befasse ich mich sehr intensiv mit dem Thema Integration und Vorurteile. Gleichzeitig bin ich ein sehr modebewußter Mensch, und deshalb hat mich Ihre Werbung sehr angeregt. Ich finde es sehr positiv, für Produkte zu werben und zugleich auf gesellschaftliche Probleme hinzuweisen, um vielleicht auch Tabus und Ängste abzubauen. Daher könnte ich mir eine Kooperation mit Ihnen vorstellen.“ Edith Kresta