Nach den Altmeistern

■ Alltag statt Römerheere in Hügellandschaften: Im Zeise-Kino läuft ein Festival des neuen italienischen Films Von Malte Hagener

Früher soll es einmal Menschen gegeben haben, die beim Stichwort Italien sofort an Film dachten, heutzutage sind höchstens noch Pizza und Fußball naheliegende Assoziationen. Das große italienische Nachkriegskino gehört, spätestens mit dem Tod von Federico Fellini und Marcello Mastroianni, der Vergangenheit an. Selbst sogenannte Altmeister – ein Etikett, das qualitativen Abstieg beschönigen soll – wie Bertolucci oder die Brüder Taviani liefern in Bestform nur noch Kunsthandwerk und schlimmstenfalls altersgeile Reisebilderbögen.

Unterdessen ist in Italien eine neue Generation herangewachsen, die in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen wurde, weil das Kinogeschäft nun einmal personenfixiert ist und ein bekannter Name besser zu verkaufen ist als ein zwar spannender, doch unbekannter Neuling. Um dem abzuhelfen, findet im Zeise-Kino seit Freitag ein kleines Festival statt, das bis zum 10. Juni nicht nur neun Filme der letzten beiden Jahren zeigt, sondern auch Regisseure, Schauspieler und Kritiker zur Diskussion nach Hamburg bringt.

Traditionell war das italienische Kino für seinen großen Schauwert, prachtvolle historische Rekonstruktionen und riesigen Aufwand bekannt; der Bogen reicht von Stummfilmklassikern wie Cabiria (1914) bis zu US-Produktionen, die die kostengünstigen Cinecittà-Studios für ihre Sandalen-Epen nutzten (Ben Hur wurde unter anderem hier gedreht). Vielleicht finden die neueren italienischen Filme auch deshalb so schwer Anerkennung im Ausland, weil sie sich nicht leicht in ein bekanntes Bild einordnen lassen; weil sie sich mehr auf den Alltag ihrer Figuren konzentrieren statt Statistenheere in Römer-Kostümen durch Hügellandschaften marschieren zu lassen.

Einige Themen sind durchaus vertraut und landestypisch, so der Nord-Süd-Konflikt, der eine Rolle spielt in Le Acrobate über die Annäherung zweier unterschiedlicher Frauen, Luna e l'altra (von Maurizio Nichetti, dessen Film Seifendiebe vor einigen Jahren in Deutschland im Kino erfolgreich war) und Italiani, dem querschnittartigen Porträt Italiens anhand von Zugreisenden auf der Fahrt von Palermo nach Mailand und zurück.

Mafia ist ein anderes italienisches Thema. Daß die Regisseurin Roberta Torre in Tano da Morire die Geschichte des legendären Mafia-Paten Tano Guarassi in Form eines Musicals erzählt, sorgte bereits auf der diesjährigen Berlinale für Diskussionen. Auch der Krieg in Jugoslawien hat seine Spuren in den jüngsten italienischen Filmen hinterlassen: In Le mani forti wird eine Psychoanalytikerin mit einem im Kriegsgebiet traumatisierten Reporter konfrontiert und Il carniere zeigt eine italienische Jagdgesellschaft, die in die Bürgerkriegswirren Kroatiens gerät. Dabei interessieren sich die Filme weniger für objektive historische Wahrheiten als vielmehr für die diffuse Stimmung und das Unverständnis, das diese Ereignisse hervorrufen.

In Liebes Tagebuch, vor drei Jahren in Deutschland im Kino, konnte Nanni Moretti – der zwar eher der älteren Generation angehört, inhaltlich und formal aber der jüngeren Gruppe nahesteht – noch lästern, daß im Sommer in den Kinos nur Horror, Porno und – am schlimmsten – italienische Filme zu sehen seien. Diese Zeiten gehören nunmehr der Vergangenheit an.

Das Festival läuft bis Mittwoch; heute, 20 Uhr, Diskussion mit u.a. Franco Bernini, Davide Ferrario und Antonio Catania.