piwik no script img

Wand und BodenChill-out-Collagen und Rastervideo

■ Kunst in Berlin jetzt: Frank Coldewey, Erik Steinbrecher, Stephen Willats

Das kleine a, meint man an der Typographie zu erkennen, muß das von Barilla sein. Ist das wichtig? Vielleicht. Immerhin heißt Frank Coldeweys Bildprogramm „samples“. Warum soll man also die Versatzstücke nicht identifizieren? Wie man eben die hit bits im Musiksample erkennt.

Rund acht eher kleinformatige Bildgevierte hängen im loop raum für aktuelle kunst übereck, und dann finden sich an einer dritten Wand noch ein oder zwei weitere. So genau ist das nicht zu sagen, denn teils sind mehrere Bildträger zu einer Einheit zusammengefügt, die sich freilich beim Betrachten auch wieder auflösen oder mit anderen Modulen in eine transitorische Verbindung setzen läßt.

Das a von Barilla, analog zum vocal hit, ein Kühl- oder Heizgerät, vielleicht der cool guitar lick, ein Mosaikfußboden, dem drum loop entsprechend, oder ein abstraktes blaurotes Selbstzitat – aus derlei Elementen setzen sich Coldeweys Bildmodule zusammen. Die einzelnen Bildgegenstände wurden im Versandhauskatalog gefunden, collagiert, fotokopiert, übermalt und wieder fotografiert, auf die MDF-Platte aufgebracht und erneut um- und übermalt. Neben der Fotografie einer Teppichbodenrolle sitzen fotografierte Pinselspuren, auf die neue, Real-life-Pinselspuren stoßen. Das alles ist in stupender Perfektion ausgeführt. Der Raum ist groß, sonnig, schön. Die Bilder sind luxuriöse, strahlende Farb-Form-Inseln im Weiß der Wände. So viel Abstraktion ist da schon. Zum Chill-out bequem auf eine der Holzbänke plaziert, mag man es verdammt gut leiden.

Bis 27.6., Mi.–Sa. 14–18 Uhr, Schlegelstraße 26/27

Herb dagegen, spröde, technisch gerastert, vom Zeilenlauf maskiert: Erik Steinbrechers Foto- und Videoarbeiten bei Barbara Weiss. Der 1963 in Basel geborene Künstler nimmt sich, was die Welt an reproduzierten Bildern so anschwemmt, und fotografiert und filmt sie ein weiteres Mal. Daraus entsteht dann eine neue, seltsame Welt der Americana.

Fünf Bilder werden zu einem schnellen Video-Loop geschaltet, mal glaubt man sich im Western, Pferde spielen am Fluß, ein schäbiger Wohnwagen taucht auf, ein Herd, eine rohe Fleischrippe, schließlich der Mann mit den Hosenträgern, von hinten aufgenommen (Western Champion, 1998). Dann wähnt man sich auf einer Schönheitsfarm im nördlichen Kalifornien: das übliche Bild der in ein weißes Frotteetuch hineingeschneckelten Frau, ein Hotelzimmer, Haut, chirurgische Instrumente (Comfort Inn, 1998). Ein drittes Mal geht's um ein Blockhaus, um Barbesuche, eine Straßenkurve und ein idyllisches Waldstück (Lodgeblock, 1998): Mensch, Haus, Natur, sie stehen merkwürdig sperrig nebeneinander auf den Bildern Erik Steinbrechers. Die doch zeigen, daß sie hoffnungslos ineinander verkettet sind. Spinnenwohnung, Hagebuttenbusch und Jäger zum Beispiel. Wie die zusammenkommen, ahnt man schon.

Ursprünglich ist Steinbrecher als Architekt ausgebildet. Vielleicht rühren daher seine äußerst minimalistischen Zeichnungen, denen man aufschlußreiche Hinweise entnehmen zu können glaubt. Diagonal teilt er ein Blatt, oben steht eine Prozentangabe, unten ein Winkelgrad. Es sind die Meßsysteme, es sind die Kategorien, die Handlungsmotive, die den Bruch, die Grenzziehung so unheilbar machen. Obwohl ersichtlich alles mit allem geht.

Bis 27.6., Di.–Fr. 12–18, Sa. 11–14 Uhr, Potsdamer Str. 93

Verbinden will dagegen Stephen Willats. Über den Bruch hinweg kommunizieren. Über den Lärm hinweg, der das Reden unmöglich macht, über die Anonymität hinweg, die das Gespräch verbietet. – Darf ich Ihnen, wer immer Sie sind, sagen, was meine Identität ist, meine Absicht; und was ich gerade tue? Schauen Sie auf meine Einkaufstasche! „Identity“, „Intention“, „Action“ sind die drei aufgedruckten Stichworte neben durchsichtigen Plastikhüllen, in die sich die wechselnden Antworten einschieben lassen. Ich bin ein Nomade oder eine Städtebewohnerin, ich suche Kontakt oder den Mann, in den ich verliebt bin, obwohl ich ihn noch gar nicht kenne, ich posiere oder zittere. Das ist ein hübsches Spiel. Wenn auch nicht sonderlich erleuchtet. Aber Willats hat eben ein Problem.

Der britische Künstler, der wie kaum einer die Sozialarbeit der Kunst in die Gänge gebracht hat, mit wirklich intelligenten Projekten, damals in den 70er Jahren, zog sich dann vom Engagement auf die Beobachtung zurück und landete zuletzt beim unverbindlichen soziologischen Rollenspiel-Experiment. Wen meint er heute eigentlich mit seinen „Interactive Clothing Works“, die Frank + Schulte zeigen? Wem möchte er seine Kommunikationskleider aus schwarzweißem Lack verpassen? Auf die man mit den Filzstiften schreiben kann, die zusammen mit einem Schwamm in Schlaufen auf den Kleidern stecken? Sie sehen klasse aus, gar keine Frage, ein bißchen nach Courrèges und Paco Rabane. Stephen Willats hat offensichtlich noch ein Problem: Seine Arbeiten sind ästhetisch hyperattraktiv.

Bis 17.7., Mo.–Fr. 11–18, Sa. 11–15 Uhr, Mommsenstraße 56 Brigitte Werneburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen