Abrechnung eines Apartheid-Killers

■ Der Ex-Auftragsmörder Eugene de Kock wirft Südafrikas früherem Präsidenten Pieter Willem Botha vor Gericht Staatsterrorismus vor

Johannesburg (taz) – Es war ein Augenblick, auf den Eugene de Kock seit Jahren gewartet hatte. Für ein paar Stunden stand er dem Mann gegenüber, der einst sein Auftraggeber war – ein seltener Moment in der südafrikanischen Geschichte. Der staatlich bezahlte Killer nutzte die Zeit, die er seiner Gefängniszelle in Pretoria entrinnen konnte.

Bitter und voller Haß schleuderte er Pieter Willem Botha entgegen, ein Feigling zu sein. Alle Politiker sind Feiglinge, glaubt der frühere Geheimpolizist, insbesondere die von der „Nationalen Partei“. „Sie wollen Lamm essen, aber das Blut und die Gedärme wollen sie nicht sehen.“ Die Drecksarbeit mußten andere verrichten. Eugene de Kock zum Beispiel, der auch „prime evil“, also „Inbegriff des Bösen“ genannt wird.

Im Gerichtssaal in der Kleinstadt George, an der Südküste Südafrikas, herrschte während de Kocks Aussage atemlose Stille. Derjenige indessen, gegen den diese Tirade gerichtet war, zeigte kein Interesse. Abwesend, fast gelangweilt saß das „große Krokodil“ seit Montag dieser Woche auf seinem Stuhl. Kein Zweifel, mit denen, die die Drecksarbeit verrichten mußten, hat jemand vom Schlage Bothas nichts gemein. Vergebens hatte sein Anwalt versucht, den Auftritt de Kocks zu verhindern. Mit dem Gegenstand des Verfahrens, Mißachtung der Wahrheitskommission, habe das nichts zu tun. Der schwarze Richter war anderer Meinung und gab dem Antrag der Anklage statt.

Eugene de Kock steht fast synonym für die Verbrechen des Apartheid-Staates. Seit Mitte der 80er Jahre war er Chef der sogenannten Vlakplaas-Einheit der Geheimpolizei. Ihr Auftrag: Verfolgung, Folter und Mord an Regimegegnern, selbst über die Landesgrenzen hinaus. Vor zwei Jahren wurde de Kock wegen mehrfachen Mordes, Betruges, Diebstahls und einer Reihe von anderen Verbrechen zu zweimal lebenslänglich plus 212 Jahren Haft verurteilt – einer der ganz wenigen, denen das demokratische Südafrika den Prozeß machte. Schon damals hatte der heute 49jährige gnadenlos abgerechnet.

Jetzt lastete er Botha nochmals an, Staatsterrorismus betrieben und Befehl für drei Bombenattentate auf Einrichtungen der Opposition erteilt zu haben. An allen dreien war de Kock selbst beteiligt: auf das ANC-Hauptquartier in London (1981), auf das Hauptquartier des südafrikanischen Gewerkschaftsverbandes in Johannesburg (1987) und das des Südafrikanischen Kirchenrates (1988). Botha war in dieser Zeit Präsident und reagierte mit Härte auf die Aufstände in den Schwarzensiedlungen.

Daß er sich all das nun öffentlich anhören mußte, hat er allerdings allein seiner eigenen Sturheit zuzuschreiben. Hätte er die Vorladungen der Wahrheitskommission befolgt, wäre ihm die Gegenüberstellung mit dem Auftragskiller erspart geblieben. Dreimal hatte sich Botha geweigert, sich von vor der Wahrheitskommission zu seiner Rolle als Vorsitzender des „Staatssicherheitsrates“ befragen zu lassen. Dann riß sogar dem stets um Ausgleich bemühten Vorsitzenden der Wahrheitskommission, Erzbischof Desmond Tutu, die Geduld, und er erstattete Strafanzeige. Nun droht dem starrsinnigen Greis eine Geldstrafe oder Haft bis zu zwei Jahren.

Zwar ist es so gut wie ausgeschlossen, daß man den 82jährigen tatsächlich ins Gefängnis schickt. Daß seine Vorladung gerechtfertigt war, steht allerdings außer Frage. Tutu selbst erklärte nochmals, er habe Botha nie die Zusicherung gemacht, nicht persönlich vor dem Gremium erscheinen zu müssen. Der hatte sich stets geweigert, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und wollte auf Fragen allenfalls schriftlich antworten.

Den Vorwurf, voreingenommen zu sein, wies Tutu scharf zurück. Zugleich kritisierte er am Freitag die Verteidigung, die den Eindruck erwecken wolle, nur eine Handvoll subalterner Polizisten sei für die Verbrechen der Apartheid- Zeit verantwortlich. Noch hat Botha nicht selbst ausgesagt. Die Strategie indessen ist klar. Der Präsident wußte von nichts und tat seinen Dienst für „Gott und Vaterland“. Kordula Doerfler