Entschädigung für Küstenstraße

Mit Kanälen soll das Ökosystem in der kolumbianischen Karibikregion stabilisiert werden. Der begleitende Sozialplan wird polizeilich überwacht  ■ Aus Santa Marta Gerhard Dilger

Tausende von ausgetrockneten Mangrovenstümpfen ragen in den blauen Himmel. Kilometer über Kilometer beiderseits der Küstenstraße von der kolumbianischen Millionenstadt Barranquilla nach Santa Marta. Dazwischen sind grüne Flecken auszumachen – Schilfrohr, das sich seit zwei Jahren langsam ausbreitet. Denn 1996 wurde der 32 Kilometer lange Clarin-Kanal in Betrieb genommen, der pro Sekunde 20 Kubikmeter Süßwasser vom Magdalenastrom in das dahinsiechende Sumpfgebiet der Ciénaga Grande pumpt.

Ab heute, wenn Kolumbiens Nochpräsident Ernesto Samper zwei weitere Kanäle einweiht, erhöht sich diese Menge um das Dreifache. Das Ciénaga-Projekt, von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) seit gut zehn Jahren begleitet, hat sich zum größten Aktivposten in der mehr als dürftigen Sozialbilanz der Regierung Samper gemausert. Zu den 30 Millionen Dollar Gesamtkosten hat die GTZ gut ein Viertel beigesteuert, die Interamerikanische Entwicklungsbank (BID) weitere elf Millionen als Langzeitkredit. Das ist eine Art späte Wiedergutmachung – hatte doch die von der BID finanzierte Küstenstraße einen erheblichen Anteil am Ökodesaster an der kolumbianischen Karibik. Der natürliche Wasseraustausch zwischen dem Sumpf und dem Meer kam fast vollständig zum Erliegen.

Die Ciénaga ist ein wichtiges Fischereigebiet und Durchgangsstation für Millionen von Zugvögeln. Hier befindet sich die größte Kormorankolonie Südamerikas. Die riesigen Mangrovenflächen sind aufgrund der trockenen Umgebung auf ausreichende Mengen von Grundwasser angewiesen.

Doch die Umweltsünden der letzten dreißig Jahre haben das empfindliche Ökosystem fast zum Umkippen gebracht: Nach der Entwaldung entlang des Magdalena führt der größte Fluß des Landes riesige Massen von Ablagerungen mit sich. Die wichtigsten Süßwasserzuflüsse der Ciénaga sind allmählich verstopft. Schädliche Fischereipraktiken gefährden den Fischbestand. Und aus den östlich gelegenen Bananenplantagen strömen giftige Abwässer ein. Wegen der zunehmenden Versalzung ist mehr als die Hälfte der riesigen Mangrovenwälder abgestorben. 1995 kam es zu einem Massenfischsterben.

Besonders stolz ist GTZ-Berater Robert Dilger auf den Sozialplan, der die Baumaßnahmen begleitet: Seit zwei Jahren handeln die gut 4.000 Ciénaga-Fischer Fangquoten, Schonzeiten und -gebiete untereinander aus – ein beachtlicher Vorgang in Kolumbien, wo es „keine Streitkultur“ gibt. Überwacht werden die Vereinbarungen von der Polizei und, wenn dies nicht ausreicht, von der Guerilla. Die Rebellen liegen auch mit den anliegenden Großgrundbesitzern im Clinch. Ihre Forderungen nach Sozialprojekten wurden jüngst durch die Präsenz von paramiltärischen Söldnern beantwortet, die unter den Fischern Terror verbreiten.

So ist es auch das fragile soziale Gleichgewicht, das Dilger nur mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft blicken läßt. „Um das Projekt erfolgreich weiterzuführen, ist soziales und ökologisches Monitoring nötig, von Wasseruntersuchungen bis zur dauerhaften Sicherung der Einkommen.“

Umweltminister Eduardo Verano de la Rosa ist zuversichtlich, daß die Gelder tatsächlich kommen. Die Instandhaltung der neuen Zuflüsse müsse aus dem nationalen Erdölgelder-Fonds bestritten werden. Noch einen Grund zur Freude gibt es für die BewohnerInnen der zwei Ciénaga-Pfahldörfer Buenavista und Nueva Venecia: Seit heute werden sie mit Strom versorgt.