■ Kommentar
: Der Wunschkandidat

Jede Partei bekommt den Vorsitzenden, den sie verdient. Die SPD hat Detlef Dzembritzki verdient. Genauso wie die CDU – in der das Rumoren unüberhörbar geworden war – geht die SPD derzeit durch eine Phase der Anpassung an die neuen Bedingungen. Der Kurs, den die Parteiführung um Klaus Böger und Detlef Dzembritzki dabei eingeschlagen hat – den politischen Schwerpunkt auf die Haushaltskonsolidierung und die Modernisierung der Verwaltung zu legen –, fordert von der Partei eine Abkehr von der Berliner Vorstellung von Politik. Einige sagen dazu Abschied von der „Subventionsmentalität“. Tatsächlich geht es indes darum, innerhalb der veränderten finanziellen und politischen Gegebenheiten politische Handlungsfähigkeit zu erhalten. Ein solcher Wechsel aber erfordert auch eine Parteiführung, die diesen Wechsel organisiert und dabei die Partei inhaltlich zusammenhält. Detlef Dzembritzki organisiert gründlich, gleicht aus. Bislang hat er geschafft – was ihm als Schwäche angelastet wird –, Partei und Fraktion zusammenzuhalten und ein geschlossenes Bild der Berliner Sozialdemokratie zu vermitteln. Für die Ansprüche dieser SPD ist Dzembritzki darum wie maßgeschneidert.

Der geborene Kompromiß wurde Dzembritzki auf dem Parteitag tituliert. Was den Parteivorsitz angeht, trifft das allerdings nicht zu. Er ist vielmehr der Wunschkandidat dieser Partei.

Nicht Dzembritzki ist das Problem. SPD, das dekliniert sich in Berlin technokratisch, oft mutlos, ideenarm. Denn Notverwaltung wie sie sich die SPD aufs Banner geschrieben hat, kann man nicht mit Politik gleichsetzen. Politik speist sich aus mehr Ebenen, als die SPD-Führung sie derzeit wahrzunehmen in der Lage ist. Kein Wunder, daß Innenstadtpolitik derzeit bei der CDU zu suchen sind. Fehlanzeige auch bei Impulsen gegen die wachsende Feindschaft zwischen Ost und West oder gegen die zunehmende Gewalt gegen Nichtdeutsche. Sozialpolitische Initiativen, kulturelles Engagement – nicht bei dieser SPD zu finden. Auch ein anderer Vorsitzender könnte diese Leerstelle nicht ausgleichen. Neben denjenigen, die jetzt schon die Politik bestimmen, braucht die Berliner SPD zwar sicher eine Persönlichkeit, die über die Parteigrenzen hinweg Bekanntheit erreicht und Interesse für sozialdemokratische Poltik zu wecken in der Lage ist – die vor allem politische Akzente innerhalb der finanziellen Zwänge setzt. Dazu jedoch muß sich die SPD auch erst wieder für Politik interessieren. Barbara Junge