■ Äthiopien–Eritrea: Ein grotesker Krieg mit westlicher Hilfe?
: Die neue Generation

Bei dem Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea handelt es sich um einen grotesken Krieg. Zum einen ist die Frage, ob die umstrittene Grenzregion über Rohstoffe verfügt, zweitrangig. Zum anderen waren die beiden Regierungen im langjährigen äthiopischen Bürgerkrieg Waffenbrüder. Nachdem die Eritreische Befreiungsfront, deren Chef Isayas Afeworki heute Präsident ist, 1991 die Oberhand im Bürgerkrieg gewonnen hatte, gab sie ihre schweren Waffen an die Tigreische Befreiungsfront (TPLF) weiter – TPLF- Chef Meles Zenawi ist heute äthiopischer Ministerpräsident – und ermöglichte so deren Sieg in Addis Abeba. Als Lohn dafür bekam Eritrea gegen jede Staatsräson – Äthiopien wurde dadurch zum Binnenland – die Unabhängigkeit.

Die TPLF versuchte danach vordergründig, den Nord-Süd-Konflikt in Äthiopien durch eine Föderalisierung des Landes zu entschärfen, errichtete jedoch de facto eine auf militärische Macht gestützte Herrschaft des nördlichen Landesteiles. Damit nahm sie das Aufflammen des Bürgerkrieges im Süden in Kauf, wo die größte äthiopische Bevölkerungsgruppe, die Oromos, leben. Da die Tigreer in Eritrea die Bevölkerungsmehrheit stellen, tragen derzeit also Tigreer ihre Machtkämpfe auf staatlicher Ebene aus.

Zenawi und Afeworki sind afrikanische Staatschefs der neuen Generation, die im Westen als „pragmatisch“ und „marktorientiert“ gelten. Der Besuch beider Länder durch Bundespräsident Roman Herzogs im Januar 1996 war ausdrücklich als Anerkennung ihrer Reformen gedacht. Vor allem die USA, für die beide Regierungen zur Eindämmung des islamistischen Sudan von großer Bedeutung sind, haben einen Narren an ihnen gefressen. Gemeinsame Manöver finden jährlich statt. Diese militärische Kooperation dürfte es den beiden Ländern erst ermöglicht haben, den Krieg mit modernsten Waffen auszutragen.

Die „neue Generation“ hat sich jedoch nie von ihrer Herkunft als Buschrebellen gelöst. Die Grundlage des Völkerrechts, die Achtung der Souveränität eines Nachbarlandes und die Integrität seiner Grenzen hat sie nie akzeptiert. Den schlagendsten Beweis dafür lieferte der ruandische Präsident, als er auf dem Höhepunkt der Zaire-Krise einen Teil des Kivu forderte. Auch die eritreische Führung hat sich schon entsprechend profiliert, als sie im Januar 1997 wegen einer öden Insel im Roten Meer fast einen Krieg gegen den Jemen begann. Im Fall eines Konfliktes greift die neue Generation eben gern auf ihr altbekanntes Mittel zurück: die Kalaschnikow. Peter Böhm