■ Die Bündnisgrünen reparieren ihr Image. Die Führungsspitze der Partei hat ein Kurzprogramm verabschiedet, in dem keine konkreten Zahlen fürs Benzin auftauchen und Nato-Interventionen in Krisengebieten befürwortet werden.
: Trendwende in der

Die Bündnisgrünen reparieren ihr Image. Die Führungsspitze der Partei hat ein Kurzprogramm verabschiedet, in dem keine konkreten Zahlen fürs Benzin auftauchen und Nato-Interventionen in Krisengebieten befürwortet werden.

Trendwende in der Außenpolitik

Den Stillstand in der Innenpolitik hab' ich jetzt auch mit Heide geklärt“, sagt Barbara Steffens vom Landesvorstand Nordrhein-Westfalen im Vorbeigehen zu Frithjof Schmidt vom Bundesvorstand. Noch bis zur letzten Minute ist an Anträgen, Ablauf und Resolutionen des Länderrats der Bündnisgrünen in Bad Godesberg gefeilt worden. Dieses Mal, das war allen klar, mußte ein Bild der Geschlossenheit geboten werden, wenn der verheerende Eindruck des Magdeburger Parteitags verwischt und die Bundestagswahlen nicht zu einem Desaster für die Grünen werden sollen.

Es wurde geboten. Gemeinsam standen Partei- und Fraktionsspitze oben auf dem Podium. Kerstin Müller, Gunda Röstel, Joschka Fischer und Jürgen Trittin präsentierten sich den Kameras im herzlichen Einvernehmen. Bilder mit hohem Symbolwert sind fast noch wichtiger als alle Worte. Aber auch in den Reden ging der Blick nach vorn: „Gemeinsam und geschlossen ziehen wir in die Auseinandersetzung für einen politischen Neuanfang und für die Ablösung einer gescheiterten Regierung“, rief Parteisprecher Jürgen Trittin, begleitet von herzlichem Applaus. Minutenlang dauerte der Beifall für Fraktionschef Joschka Fischer, als er das Prinzip Hoffnung beschwor: „Wir haben die Chance, zu gewinnen.“

Dafür muß allerdings noch einiges getan werden. Emnid sieht die Partei inzwischen bei nur noch vier Prozent. Die Verknüpfung der Forderung nach einem Einstieg in die Ökosteuer mit einem langfristig angepeilten Benzinpreis von fünf Mark pro Liter und die tiefe Spaltung der Partei in der Frage internationaler Militäreinsätze hat die Grünen in der Wählergunst steil abstürzen lassen. Für die Imagepflege hat sich die Führungsspitze der Partei ein Kurzprogramm für die nächsten vier Jahre, in dem keine konkreten Zahlen fürs Benzin mehr auftauchen, und eine eigenständige Resolution zur Lage in Bosnien einfallen lassen.

Die große Frage der letzten Wochen war: Würde die Basis auf dem Länderrat diesen Kurs mittragen – oder gibt es neuen Streit? Im Parlament und in der Parteizentrale waren in den letzten Wochen ungewöhnlich viele Leute ein bißchen blaß um die Nase gewesen. Die Gesichtsfarbe wurde immer ungesünder, je näher das Datum des Länderrats rückte. „Wird schon gutgehen“, hieß es einmal am Rande eines Gesprächs. „Es grummelt“, ein anderes Mal.

Als es dann endlich so weit war, war jedoch Zuversicht spürbar. „Wir werden heute erklären, daß wir die Art und Weise korrigieren, in der wir uns an die Menschen gewandt haben, aber daß wir nicht umfallen. Das kriegen wir heute hin“, meinte die Bundestagsabgeordnete Andrea Fischer. Sie hat recht behalten. Nur wenige Beobachter hatten im Vorfeld erwartet, daß vom grünen Länderrat neuer Schwung ausgehen werde. Die Reparatur eines Wasserrohrbruchs ist kein Richtfest.

Aber den Rednerinnen und Rednern gelang das Unwahrscheinliche. Nicht kritische Rückschau und Lamentieren über Fehler der Vergangenheit, sondern die Ziele der Zukunft beherrschten den Länderrat. Die Tagespolitik hat geholfen: Am Anfang stand eine Resolution für den Ausstieg aus der Atomenergie. Der Kampf gegen Atomkraftwerke, der durch die verstrahlten Castor-Transporte neue Aktualität gewonnen hat, ist ein bei den Grünen unumstrittener Bereich.

Weitgehende Übereinstimmung herrscht in der Partei darüber, daß der Benzinpreis das falsche Symbol für den Einstieg in die Ökosteuer war. Der Landesverband Bayern wollte dieses Eingeständnis allerdings gern aus dem Kurzprogramm gestrichen sehen. „Wir sind keine Umfallerpartei, die heute hier etwas zurückzunehmen hat“, rief die Landesvorsitzende Ruth Paulig. „Wir haben die falsche Botschaft rübergebracht. Das hat nichts mit Weichspülen, das hat nichts mit Umfallen zu tun“, hielt Fraktionschef Joschka Fischer dagegen.

Die 57 Delegierten des Länderrats hielten dieses Mal ihrer Führungsspitze die Stange. Das Kurzprogramm wurde so problemlos verabschiedet, daß viele Journalisten und Journalistinnen den Vorgang nicht einmal richtig mitbekamen. Kritische Änderungsanträge waren schon vorher zurückgezogen worden. Harmonie nicht nur im Inhalt, sondern auch im Umgang miteinander. Ungewöhnlich einträchtig standen gestern der Parteilinke Christian Ströbele und der sich selbst gern „Oberrealo“ nennende Daniel Cohn-Bendit lange nebeinander und applaudierten gemeinsam.

Damit sind nun allerdings nicht alle Meinungsverschiedenheiten beigelegt. Wie schwierig die Gratwanderung ist, zeigte sich beim Thema Bosnien. Mit dem Text einer Resolution des Bundesvorstands, genau gelesen, lassen sich sowohl Zustimmung als auch Ablehnung des Bundeswehreinsatzes rechtfertigen. Bei fast allen Medien kam jedoch die Botschaft an: Trendwende in der Außenpolitik, auch die Grünen befürworten jetzt Nato-Interventionen in Krisengebieten. Noch am Freitag sah sich der Parteivorstand zu einer knappen Pressemitteilung veranlaßt, in der es hieß: „Der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen hat beschlossen, der Bundestagsfraktion das Abstimmungsverhalten zur Verlängerung des SFOR-Mandats freizustellen. Dies ist keineswegs eine Aufforderung zur Zustimmung zu einem Antrag der Bundesregierung.“

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß. Die Botschaft von der politischen Kehrtwende, die bei den Medien ankam, war mit Blick auf mögliche WählerInnen der sogenannten Mitte beabsichtigt. Genauso beabsichtigt aber war das Signal an Gegner der Militärintervention innerhalb der Partei, im Grunde habe sich am Kurs nichts geändert. In diesem Sinne verschickte der Bundesvorstand denn auch in den letzten Wochen fleißig Briefe an Kreisverbände. Gestern sollte ein Konflikt vermieden werden. Die Resolution kam durch. Erleichterter Applaus. Bettina Gaus, Bad Godesberg