Kommentar
: Umgefallen?

■ Die Bündnisgrünen arbeiten fieberhaft an der richtigen Botschaft

Fehler zuzugeben, Fehler einzusehen und Fehler zu korrigieren habe nichts mit Weichspülen zu tun, sondern sei Ausdruck von Selbstbewußtsein und Souveränität. Auf diese Formel einigte sich am Wochenende der Länderrat der Bündnisgrünen über alle Flügel hinweg. Die Prügel der letzten Wochen und die Angst vor dem Absturz unter die Fünfprozentmarke motivierten den kleinen Parteitag, dem letzten vor den Wahlen im Herbst, zu einer Einsicht in die Notwendigkeit des Schulterschlusses. Für die Grünen ist dies ein Novum.

Die Botschaft heißt nicht mehr fünf Mark fürs Benzin, sondern: ohne soziale Gerechtigkeit keine ökologische Erneuerung, ohne eine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kein Dreiliterauto, keine demokratische Erneuerung, kein neues Staatsbürgerschaftsrecht. Dies alles, so hieß es, sei zwar Inhalt des Magdeburger Programms gewesen, nur sei er mit dem falschen Symbol gekoppelt worden. Das wurde nun einkassiert. Kein Pendler soll mehr Angst haben, daß Autofahren künftig zu einem Privileg der Besserverdienenden wird. Ökologische Steuerreform, so Fischer, bedeute schließlich Entlastung der unteren und mittleren Einkommen. Gibt es jetzt also auch bei den Grünen die Ökologie zum Nulltarif? Natürlich nicht. Alle RednerInnen haben diesen Einwand auf dem Parteitag präventiv zurückgewiesen. Grüne Sozialpolitik sei eine ökologisch motivierte Politik, die Kostensenkung nicht auf dem Rücken der Schwachen betreibe und dennoch nicht auf Wachstum setze. Trotzdem, wenn die Grünen durch den verstrahlten Castor nicht an ihre Ursprünge erinnert worden wären, bliebe unter dem Strich: Ökologie darf den zumutbaren Rahmen nicht sprengen. Den Rahmen aber setzt der Zeitgeist.

Auch die Ablehnung des Bundeswehreinsatzes in Bosnien durch den Parteitag in Magdeburg wurde fast ohne Widerrede modifiziert. Internationale Unterstützung und friedenerhaltende Maßnahmen bleiben notwendig, und wie die konkret aussehen sollen, darf die Bundestagsfraktion nach ihrem Gewissen entscheiden. Doch während die Grünen sich auf einen innerparteilichen Kompromiß zu Bosnien verständigten, war allen Rednern klar, daß das Problem heute nicht Bosnien, sondern Kosovo ist. Dafür haben die Grünen sowenig eine Antwort wie alle anderen Parteien auch. Damit sind sie leider auf der Höhe der Zeit. Jürgen Gottschlich