Schneller Gewinn könnte teuer kommen

■ 177 Millionen Mark kassiert Bremen für den Abfallbereich der Bremer Entsorgungsbetriebe: Aber Altlasten für die Mülldeponie bleiben bei der Stadt hängen / MVA billig gerechnet?

Der Verkauf der städtischen Müllabfuhr wird in Kreisen der großen Koalition als Erfolg gefeiert. 177 Millionen Mark kann man für den Abfallbereich der Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB) erlösen, mehr als erwartet. Von diesem Betrag sind ungedeckte Rechnungen abzuziehen, die den Erlös beträchtlich schmälern dürften. Kritiker aus der Opposition sprechen darum von einer Verschleuderung städtischer Vermögenswerte.

Größter Brocken, der Bremen in einigen Jahren auf den Fuß fallen könnte, sind die Millionenkosten für die Mülldeponie im Blockland, die im Besitz der Stadt bleibt. 2008 ist die Deponie voll und bringt dann keine Erlöse mehr – sondern nur noch Kosten für Sanierung und Nachsorge, die Experten auf knapp 90 Millionen Mark veranschlagen. Als vorausschauender Betrieb haben die BEB Geld zurückgestellt. Nach Angaben aus dem Betrieb sind 37 Millionen Mark schon angespart, aber nicht real im Unternehmen vorhanden. 50 Millionen sollten in den kommenden Jahren gesammelt werden. Weil die Deponie dieses Geld nicht abwirft, sollte der Betrag aus dem Rest-Abfallbereich der BEB finanziert werden – aber der gehört jetzt mehrheitlich einer Privatfirma. BEB-Personalratschef Dieter Bietendübel vermutet, daß die Stadt in zehn Jahren dafür geradestehen muß.

Auch an anderen Punkten haben die senatorischen Buchhalter geschickt gearbeitet, um den Verkauf in gutem Licht stehen zu lassen. So wurde die Müllverbrennungsanlage (MVA) – neben dem bald zum Verkauf stehenden Abwasserbereich – der einzige echt lukrative Posten bei der BEB, offenbar künstlich billig gerechnet. In der Eröffnungsbilanz der Firma Abfallbehandlung Nord (ANO), an die die MVA geht, ist ein Anlagevermögen von 65 Millionen Mark aufgeführt. Das geht aus einer Vorlage für die Sitzung der Umweltdeputation und des BEB-Betriebsausschusses hervor, die am Mittwoch über den Verkauf der BEB befinden. Die Fides Treuhandgesellschaft hat den Restbuchwert der MVA auf 62 Millionen beziffert. Der Wiederbeschaffungszeitwert gibt Fiedes mit 135 Millionen an.

Der Senat wollte den Käufern aber nicht den echten Wert der MVA in Rechnung stellen. Eventuelle Veräußerungsgewinne hätte die Stadt denen zurückgeben müssen, die die Anlage bezahlt haben: Den Zahlern von Müllgebühren.

Stattdessen, so heißt es aus Insider-Kreisen bei der BEB, wurde der buchhalterische Wert aus der MVA herausgezogen und der Entsorgung Nord GmbH zugeschlagen. Folglich ergibt sich bei der Firma, die den Privaten zu 51 Prozent gehören wird, ein enormes Anlagevermögen von 80 Millionen Mark in der Bilanz. Zwar hält der CDU-Umweltpolitiker Jens Eckhoff diese Summe durch den Gegenwert von Fahrzeugen und fünf Betriebshöfen für gedeckt. Kenner des Müllgeschäfts kommen aber nicht auf 80 Millionen, wenn sie das Vermögen der ENO zusammenrechnen. Die Vermutung: Hier wird die Abfallsammlung subventioniert, damit die ENO ihr Versprechen wahrmachen und die Müllgebühren 20 Jahre konstant halten kann.

Bei Nachfragen zu diesen millionenteuren Bilanzdetails verweist das Umweltressort an den Finanzsenator, auch dort kann man auf die Schnelle keine Aussagen machen. BEB-Personalrat Bietendübel wundert sich über nichts mehr bei der BEB: „Mit normalem betriebswirtschaftlichem Sachverstand ist das nicht nachvollziehbar.“

Joachim Fahrun