Stille Tage mit Berti
: Vogts will Spaß

■ Der DFB-Trainer verkündet eine Sensation – und nimmt sie dann gleich wieder zurück

Ja, herzlichen guten Morgen, meine Damen und Herren. Hier ist Nizza. Willkommen in dieser kleinen WM-Kolumne aus der schönen Stadt an der Côte d'Azur. Genauer gesagt aus einem Dörfchen über den Dächern dieser Stadt; St. Paul de Vence. „Stille Tage mit Berti“ ist Name und Programm dieser hehren publizistischen Angelegenheit, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nicht jeder vermeintlichen Sensation aus dem WM-Quartier der deutschen Fußballer hinterherzuspionieren, um sie dann unverdaut an die Kundschaft weiterzutransportieren.

Der schöne Satz: „Man solle wirklich die Kirsche im Dorf lassen“ (Vogts)

Nein. Unter uns gesagt: Das hätte auch wenig Sinn. Bis auf weiteres sind nämlich weder echte Sensationen aus heiterem Himmel zu erwarten, noch sind welche so mir nichts dir nichts eigenhändig zu schaffen. „Stille Tage“ wird daher versuchen, die Realität abzubilden. Kein Schmu, keine Erfindungen: Die WM, wie sie wirklich ist. Ist das ein Angebot?

Trotzdem: Der Protagonist der Rubrik, DFB-Trainer Berti Vogts (51), hat sich gestern um die Mittagszeit in einem kurzärmligen Hemd am vereinbarten Ort eingefunden und die Hände über Herz und Bundesadler verschränkt. Wie so oft im Ausland mußte er sich auch von Nizzas Oberbürgermeister „Wogts“ nennen lassen. Aber es hatte den Anschein, als fühle er sich gewappnet für das Überlebens-Unternehmen WM.

Nun kommt doch eine Sensation. „Ich möchte“, sagte Vogts nämlich, unaufgefordert mit sehr ernstem Gesicht, „daß die Spieler sich darauf einstellen, Spaß zu haben.“ Der Fußball nämlich sei und bleibe für ihn, Vogts: „Sport!“

Richtig spaßig allerdings schien dem Keeper Andreas Köpke nicht zumute, als er auf dem Podium sitzend eine paar müde Fragen hochkonzentriert aus der Gefahrenzone faustete. Vogts selber bekam es nur mit einem matten Angriff (Betr.: Aufstellung) zu tun, den er aber abgrätschte. Ein großes Geheimnis ist die Sache eh nicht: Das Team für den WM-Auftakt gegen die USA kommenden Montag steht, insbesondere nachdem sich Thomas Helmer nun auch noch mit einer Verhärtung im Oberschenkel plagen muß. Spielen werden, so sieht das aus: Köpke – Kohler, Wörns – Thon – Heinrich, Hamann, Möller, Häßler, Jeremies – Bierhoff, Klinsmann.

Für den DFB-Trainer geht es aber im wesentlichen darum, die lange Woche herumzubringen, ohne all jene Kolumnisten zu vergrätzen, die sich vielleicht etwas unsensibel mehr als „stille Tage“ erhoffen. Im übrigen darf er auch jene Spieler nicht entmutigen, die er nicht für einen Einsatz vorgesehen hat, oder sie dazu verleiten, ihr schönes Schweigen zu früh zu brechen (vergleiche Ersatz-Libero Matthäus). Also, sagt Vogts, nein, er habe die Aufstellung nicht im Kopf. Grund: „Dazu ist Fußball zu ernst geworden.“

Also doch keine Spaß-Sensation. Das hatte man befürchtet. Peter Unfried