Konkurrenz für den Panamakanal

Auch in Nicaragua, Honduras und El Salvador sollen Pazifik und Altantik miteinander verbunden werden – Schiffscontainer sollen per Bahn den Ozean wechseln  ■ Aus Managua Toni Keppeler

Der Panamakanal trocknet aus. Im Mai wurde der maximale Tiefgang der durchfahrenden Schiffe schon zum vierten Mal reduziert. Statt der üblichen 12 Meter sind dann nur noch 10,82 Meter erlaubt. Auch wenn die derzeitige Wasserknappheit eine Folge des klimatischen Phänomens „El Niño“ ist, sie hat darüber hinaus symbolische Bedeutung. Viele wollen derzeit dem Kanal das Wasser abgraben: In Nicaragua konkurrieren gleich drei Konsortien um eine Güterverbindung zwischen Pazifik und Atlantik. Und auch in Honduras und El Salvador wird über ein gemeinsames Konkurrenz-Projekt diskutiert.

Die Hoffnungen kommen nicht von ungefähr. Der 1914 eröffnete Kanal ist in die Jahre gekommen. Er braucht eine Rundumerneuerung, die rund eine Milliarde US- Dollar kosten wird. „Nach unserer Planung wird das Projekt im Jahr 2002 abgeschlossen sein“, sagt Kanal-Geschäftsführer Alberto Aleman.

Nur glaubt ihm das keiner so recht. Denn vom 1. Januar 2000 an, so haben das die damaligen Staats- Chefs Jimmy Carter und Omar Torrijos 1977 vereinbart, werden sich die USA aus der Kanalverwaltung zurückziehen. Viele Unternehmer zweifeln an der Fähigkeit der Panamesen, die Erneuerung rasch zu vollenden. Das rief vor drei Jahren die ersten Konkurrenten auf den Plan.

Als erstes fand sich ein internationales Konsortium zusammen, das unter den Namen „Interozeanischer Kanal Nicaragua“ (CINN) einen Traum ausgrub, der älter ist als der Panamakanal. Bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts sollte der Rio San Juan, der an der Südgrenze des Landes vom Atlantik bis in den Nicaragua-See führt, schiffbar gemacht werden. Von dort wäre dann nur noch ein Durchstich von wenigen Kilometern Länge bis zum Pazifik erforderlich. Wegen politischer und tektonischer Unruhen in der Gegend hatten die Vereinigten Staaten den Plan beerdigt.

CINN denkt nun nicht mehr als eine Wasserstraße, sondern an eine Schnellstraße für Container- Züge. Am Atlantik und am Pazifik sollen Hafen-Bahnhof-Kombinationen entstehen, wo die Ware vom Schiff auf die Schiene umgeladen wird. Als Transportzeit auf der 420 Kilometer langen Strecke werden gut vier Stunden veranschlagt – weniger als die Hälfte der Zeit, die eine Schiffspassage durch den Panamakanal benötigt. Das Projekt soll rund zwei Milliarden US- Dollar kosten. Kein Problem für ein internationales Konsortium, in dem sich neben asiatischen Finanz- Holdings europäische Konstrukteure von Hafenanlagen und Güterbahnhöfen und – für die Schnellzüge – die Erlanger Siemens AG versammelt haben. In den vergangenen Tagen wurden Gerüchte um einen weiteren Kompagnon bekannt: Die nicaraguanische Armee. Das allerdings riecht nach politischer Einflußnahme und Korruption.

Armee-Chef Jaime Cuadra half nicht eben mit, die Gerüchte zu zerstreuen. Zwar beteuert er, keine Aktien zu besitzen, doch auf Fragen, ob das für seine Familie auch gelte, verweigert er die Antwort. CINN versicherte hoch und heilig, niemanden bestochen zu haben.

Der öffentliche Streit um um das Konsortium macht der Konkurrenz Hoffnung. CINN eilte voraus und steckt bereits in ersten Vorstudien zum Bau. Eine Lizenz zum Betreiben der Bahnverbindung aber gibt es noch nicht. Und diese Lizenz will auch eine nicaraguanische Unternehmergruppe, die den Rio San Juan für kleine Container-Schiffe ausbauen will. Vom Nicaragua-See aus sollen die Güter auf der alten Bahnstrecke von Granada zum Pazifikhafen Corinto befördert werden. Mit rund 500 Millionen Dollar ist dies der billigste Vorschlag. Eine dritte Unternehmergruppe nimmt die über hundert Jahre alte Planung wieder auf und will doch noch vom Nicacargua-See zum Pazifik ein Kanal durchstoßen.

Theoretisch können die drei nicaraguanischen Konkurrenten von einem vierten überholt werden: Ende vergangenen Jahres unterzeichneten Honduras und El Salvador ein Abkommen, nach dem eine durch beide Länder führende Schnellstraße die beiden Küsten verbinden soll. Die Idee gleicht der von CINN. Nur sollen die Container nicht von Zügen, sondern von Lastern befördert werden. Der Vorteil: Ein Teil der Straße ist schon vorhanden. Der salvadorianische Präsident Armando Calderon Sol kündigte bereits an, die Verbindung werde vor dem Jahr 2000 stehen.

Der Plan hat einen entscheidenden Nachteil: Salvadorianer und Honduraner können überhaupt nicht miteinander. Seit dem sogenannten Fußballkrieg von 1969 streiten sie sich mit steter Regelmäßigkeit um die Grenzziehung. Langwierige Zollformalitäten beim Übergang von einem ins andere Land könnten die neue Schnellstraße leicht zur unattraktiven Kriechspur machen.