■ Nachschlag
: Ein Stummfilm für die Bühne: Lorcas Buster-Keaton-Stück im Tacheles

Buster Keatons unbewegtes Gesicht ist ein Wunder, freilich: Es ist eines, das einem Kind erst durch Drill antrainiert wurde. Während sich so Gewalt in der Biographie des Komikers versteckt, beginnt Federico Garcia Lorcas Drama „Buster Keatons Spaziergang“ aus dem Jahr 1928 gleich mit einem Schock roher Brutalität: Der Protagonist ersticht seine vier Kinder. Über dieses Schockelement hinaus verstört der Autor das Publikum ein zweites Mal, indem er zwar ein Schauspiel schreibt, jedoch das gesprochene Wort aus der Handlung ausgliedert und in Zwischensequenzen, vergleichbar den Texttafeln im Stummfilm, einfügt. Regieanweisungen werden so zum Haupttext, Dialoge zum Nebentext, das Drama quasi zum Stummfilm für die Bühne.

Die Gruppe Buster, ein interdisziplinäres Projekt an der Hochschule der Künste, führt diese Durchbrechung der Gattungsgrenzen weiter: Ständig überlagern sich Schauspiel und Film in der Traumlandschaft des Kindermörders, die nicht zuletzt aufgrund des unwirklichen Ambientes im Tacheles schnell zum grausigen Nachtmahr wird.

Der unbeschwerte Frühlingsausflug im Vogelgezwitscher wandelt sich zur Radtour in den Hades, wenn sich Busters Fahrrad, halb Nähmaschine, halb Hochrad, mit gespenstischem Rucken rückwärts durch die Szene schiebt. Die Gesänge derweil entstammen düsteren Uhus, Totenvögeln. Und glaubt man, in einer Szene einen Film zu sehen, ist der Projektor nur Lichtquelle für Schattentheater, während an anderer Stelle die Körper der Schauspieler einzig die Leinwand für eine Projektion darstellen: Nichts ist, wie es scheint. Gegen Ende schleift sich diese Technik freilich ab, und nach einer kabarettistischen Teezeremonie mündet das Stück plötzlich im konventionellen Sprechtheater, bei dem Text und Bild in geordnetem Verhältnis stehen.

Was aber bis zum Schluß prägnant bleibt, ist die Gewalt: Am Ende hat schon eine Namensnennung Ohnmachtsanfälle zur Folge. Falk Schreiber

Termine: 11. bis 14.6., 21 Uhr, Tacheles, Oranienburger Str. 54–56