Gericht erlaubt gelöbnisnahen Protest

■ Gegenaktionen dürfen in Sichtweite zum Roten Rathaus stattfinden

Einen vollen Erfolg konnten gestern die Organisatoren der Gegenveranstaltungen zum heute stattfindenden öffentlichen Gelöbnis verbuchen. Das Verwaltungsgericht entschied, daß die Aktionen des Bündnisses „Gelöbnix 98“ in der Spandauer Straße nordwestlich der Karl-Liebknecht-Straße, also in Sichtweite zum Roten Rathaus, stattfinden dürfen. In der Begründung heißt es, daß das Anliegen der Veranstalter, „ihre Kritik an der Bundeswehr und deren öffentlichen Feierlichkeiten wirksam zur Geltung zu bringen“, mit dem von der Innenverwaltung gewählten Schloßplatz „unvereinbar“ sei.

„Der räumliche Abstand und die Verlagerung hinter das massive Gebäude des Palastes der Republik lassen eine Wahrnehmung dieser Versammlung im Bereich der Gelöbnisfeierlichkeiten nicht mehr zu“, argumentierte das Gericht. Am Schloßplatz liefe „die Meinungskundgabe, die vor allem auch die Teilnehmer und Besucher des Gelöbnisses erreichen soll, weitgehend ins Leere“. Auch unter „Sicherheitsaspekten“ sei der Ersatzstandort „verantwortbar“. Eine hinreichend räumliche Nähe zum Gelöbnis sei somit gegeben, „ohne daß die Gefahr besteht, daß von dort aus die Feierlichkeiten über die Schwelle der Wahrnehmbarkeit hinaus erheblich gestört werden könnten“. Die Bedenken der Polizei, daß Störaktionen aus der Menge heraus nicht unterbunden werden könnten, rechtfertigen nach Meinung des Gerichts kein Verbot der Versammlung an dieser Stelle. Das Gericht berücksichtigte bei seiner Entscheidung, daß die Bundeswehr nicht beanspruchen könne, das Gelöbnis auf einem öffentlichen Platz vor einem „ihr wohlgesonnenen oder wenigstens meinungsindifferenten Publikum“ durchzuführen.

Der Landesvorstand der Grünen kritisierte gestern, daß der Platz vor dem Roten Rathaus in einen „Hochsicherheitsjubeltrakt“ verwandelt werde und daß das Gelöbnis in einer „porentief protestfreien Zone“ stattfinde. Die Grünen konstatierten ein breiteres Bündnis gegen „die Militarisierung des öffentlichen Raumes“ als beim letzten öffentlichen Gelöbnis 1996. Es umfasse Gewerkschaften, Friedensarbeitskreise, Jusos und andere Gruppen und Initiativen.

Genau dagegen protestierte CDU-Generalsekretär Volker Liepelt. „Über die materielle und organisatorische Unterstützung aus der Gewerkschaftskasse bin ich sehr bestürzt“, ließ er wissen. Vom DGB und den Sozialdemokraten erwartet er, daß sie dem „mit aller Deutlichkeit entgegentreten“. Markige Worte fand auch CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky: „Wir lassen es nicht zu, daß junge Menschen, die bereit sind, unseren Staat zu verteidigen, an den Rand unserer demokratischen Gesellschaft gedrängt werden.“ Linke Gewalt provoziere rechte Gewalt. Es sei „erschreckend, daß die zu erwartende Gewalt von den Grünen und von der PDS zumindest billigend in Kauf genommen wird“. Barbara Bollwahn

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