Grüne Ambitionen diplomatisch gestärkt

Joschka Fischer hat vor der edlen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sein Reifeprüfung fürs Auswärtige Amt abgelegt. Der Grüne empfahl sich mit einem Bekenntnis zur Kontinuität bei der Integration Europas  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) – Auf fünf bis sieben Prozent beziffern die aktuellen Umfragen das Wählerpotential der Bündnisgrünen. Das ist genug, um die Existenzängste der letzten Wochen zu dämpfen. Aber zuwenig, um Platz auf der Regierungsbank zu beanspruchen. Die Grünen hindert das nicht, sich bereits Gedanken um die Verteilung dieses Platzes zu machen. Als sicherer Anwärter gilt Joschka Fischer.

Am Montag abend hielt Joschka Fischer einen Vortrag über „Die Außenpolitik der Berliner Republik“ vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die ehrenwerte Gesellschaft kann man getrost als geistiges Umfeld des Auswärtigen Amtes bezeichnen.

Es war eine Art Antrittsbesuch und zugleich der Versuch, die Grünen auf dem außenpolitischen Feld wieder zu rehabilitieren. Dieses Feld wollte Fischer einst selber bestellen. Doch die grüne Parteiführung war sich gewiß, daß für sie die Außenpolitik in einer rot-grünen Regierung nicht Priorität genießt. Zudem hatten die Debatte um den Ausstieg aus der Nato, das Debakel auf dem Parteitag in Magdeburg zuviel Irritationen in der Öffentlichkeit geschaffen. Auch für die SPD hatte festgestanden, daß es den Grünen an der für das Amt notwendigen außenpolitischen Zuverlässigkeit mangelt.

Mittlerweile hat die Partei ihre Haltung zum Bosnien-Einsatz wohlgefälliger formuliert. Von einer Auflösung der Nato ist schon seit längerem keine Rede mehr. Auch die Zweifel der SPD haben sich gelegt. Das Außenministerium wäre also von daher für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen wieder näher gerückt. Er selbst äußert sich zu seinen Ambitionen nicht. Aber er läßt sich zur Außenpolitik in einer Weise vernehmen, die diese Ambitionen kaum verhehlen kann.

Fischers erste Botschaft an die 300 Versammelten will den Eindruck der Unzuverlässigkeit verwischen: Die deutsche Außenpolitik braucht in ihren Eckwerten Kontinuität, und er, Fischer, steht für diese Kontinuität. Diese Eckwerte sind die Westbindung und die Vollendung der europäischen Integration, die Fischer „unser oberstes nationales Interesse“ nennt. Das würde auch Kohl so sehen, doch mit dem setzt sich der Grüne erst gar nicht auseinander. Das Ende der Ära Kohl scheint für ihn schon ausgemachte Sache.

Fischer beschwört vor den Diplomaten, Wissenschaftlern und Journalisten in Berlin die Gefahr eines Wiederauflebens des nationalen Interesses, das sich gegen Europa artikuliert. Die lauter werdenden Vorbehalte der konservativen Seite gegen die Osterweiterung der EU sind für den grünen Fraktionssprecher erste Signale einer Entwicklung, die im Ausland das Mißtrauen gegen Deutschland wiederbeleben dürfte. Im Inland könne dies zur Bildung einer Anti- Europa-Partei im rechten Parteienspektrum führen.

Fischer geriert sich als der wahre Erbe des Europäers Kohl. Er setzt auf die Vollendung der EU- wie der Nato-Osterweiterung. Ersteres durchaus mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, aber ohne ein Land auszuschließen. Letzteres bis zur Einbeziehung Rußlands, was für Fischer der gewünschten Transformation der Nato gleichkommt – womit er zugleich das grüne Wahlprogramm in einer ihm genehmen Weise interpretiert und Vorbehalte gegen seine Partei minimiert hätte. Dem gleichen Ziel dient seine Zustimmung zur Verlängerung des Bosnien-Einsatzes. Einen Einsatz der Nato im Kosovo lehnt er allerdings ab. Dazu bedürfe es eines Mandates der UN. Daß auch dann dem Außenpolitiker Fischer noch immer das Mandat der Partei fehlte, interessiert an diesem Abend niemand.