ICE: Sicherheitsideen blieben liegen

Schon länger existieren Vorschläge für eine Kontrolle der Radreifen des ICE. Bahn will nun erneut deren Einsatz prüfen. Bahnchef Ludewig: Kosten spielen keine Rolle  ■ Von Anne Barthel

Berlin (taz) – Nach dem ICE- Unglück in Eschede häufen sich Vorwürfe, die Bahn AG hätte Verbesserungsvorschläge in punkto Sicherheit mißachtet. Die Bild- Zeitung dokumentierte gestern die Ablehnung eines Vorschlags, den ein Maschinenbaumeister der Bahn bereits 1995 gemacht hatte. Die Innovation sollte eine elektronische Überprüfung der Radreifen während der Fahrt ermöglichen. Damals schickte der Geschäftsbereich Werke der Bahn eine Ablehnung mit der Begründung, daß das vorgeschlagene System zu störanfällig sei und so den Betriebsablauf behindern könnte.

Auch der Spiegel berichtet über eine bereits vor vier Jahren bei der Versuchsanstalt der Bahn entwickelte Methode zur Früherkennung von Reifenschäden während der Fahrt, die aber bisher im Alltag nicht eingesetzt wird.

Bahn-Chef Johannes Ludewig versicherte gestern in Frankfurt, die Chefetage der DB sei nicht über die Vorschläge informiert gewesen. Es seien ihm vor dem Unfall aber auch keine Sicherheitsbedenken zu Ohren gekommen. Jetzt werde das gesamte Sicherheitssystem des ICE noch einmal geprüft; an den Finanzen sollten Verbesserungen nicht scheitern, versicherte der Bahnchef. Als erste Maßnahme wurde bereits ein häufigerer Radwechsel angeordnet: Sobald das Profil 30 Millimeter runtergefahren ist, soll der Radreifen ersetzt werden; bisher galten 66 Millimeter als vertretbar.

In allen drei ICE-Wartungspunkten standen schon bisher Diagnosegeräte, mit denen die Oberflächen der Räder mit unterschiedlichen Methoden regelmäßig auf Risse und Unebenheiten hin untersucht werden. Entgegen früheren Angaben der Bahn kam die Ultraschall-Oberflächendiagnose dabei aber gar nicht zum Einsatz. Sie funktionierte „nicht befriedigend“, wie Bahnsprecherin Christine Geißler-Schild gestern einräumen mußte. Die Bahn und das Fraunhofer-Institut hätten bereits seit längerem an dem Problem gearbeitet.

Die jetzt angeordneten Ultraschalluntersuchungen sollen die Räder sämtlicher ICE der ersten Generation nicht nur äußerlich, sondern auch in der Tiefe untersuchen. Diesmal mit neuen Geräten aus dem Forschungswerk der Bahn in Minden, die bisher nicht für die Instandhaltung vorgesehen waren. In etwa 15 Tagen sollen die Tests abgeschlossen sein.

Gestern nachmittag wurde die Unfallstelle in Eschede wieder für den Bahnverkehr freigegeben. Derweil hat sich die Zahl der Todesopfer auf 95 reduziert – die Mediziner fanden heraus, daß ursprünglich verschiedenen Opfern zugeordnete Leichenteile doch zusammengehörten.