Ein bißchen doof...

■ ...aber wunderbarer Pop: Die Brüder McNamara und ihr Ensemble Embrace

Kommt uns das nicht bekannt vor: Zwei Brüder aus Nordengland gründen eine Gitarrenband, erzählen zur ersten Single, daß sie die Welt beherrschen wollen, wirken auf der Bühne so arrogant wie entschieden, werden von der Brit-Presse hochgejubelt. „Naja, die Single ist ja ganz nett, aber zwei Brüder in der Band, war das nicht unsere Idee?“ soll Noel Gallagher von Oasis über „All You Good Good People“, die erste Single von Embrace Anfang 1997, gesagt haben. Aber diese Nonchalance hielt nicht lange an. Bald schon mäkelte Noel an der Stimme von Danny, dem älteren der beiden McNamaras, die den Kern der Band aus Huddersfield bilden. Der Fehdehandschuh war aufgenommen.

Spätestens seit dieser Woche, in der The Good Will Out, das erste Album von Embrace, erschienen ist, hat die britische Hype-Maschinerie einen dicken Tropfen Öl abbekommen: „Eines der größten Debütalben des Jahrzehnts“, kräht der NME, und der Melody Maker kämpft sich durch Titanic-Metaphern. Es paßt aber auch alles nur zu gut zusammen: Richard McNamaras Gitarre klingt so breitwandig wie die von Noel, die Band gefällt sich im Balladen-Trott von The Verve, Danny McNamaras Stimme hat das selbstzufriedene Pathos eines Richard Ashcroft, und die Platte durchziehen Streicher wie in „Live Forever“, dem ersten wirklich großen Moment von Oasis. Mit diesen beiden neuesten Modellen englischer Rock-Grandezza nicht genug: Die Stimmprobe der Streicher, die das Album eröffnet, fand im Studio an der Londoner Abbey Road statt, und das Finale der Platte bilden Lalas à la „Hey Jude“. Dazwischen hören wir Glam-Beats, großes Klavier, und manchmal hat Danny McNamaras Gesang etwas von der zerbrechlichen Schönheit Bobby Gillespies.

Ein solches Rekombinationsmodell provoziert natürlich den Verdacht, daß es marketingstrategisch ausgedacht sei. Gerne erzählen die McNamaras dann, wie sie früher keine Auftritte bekamen, weil sie „nicht Britpop genug“ waren, und darauf mit dem schieren Ehrgeiz reagiert hätten, der sie einerseits so gute Zeilen wie „We set our sights too high“ singen läßt, andererseits aber dazu führt, daß man einer Band, die Lieder „My Weakness Is None Of Your Business“ nennt, ein ach so sehnsuchtsvolles „Now I feel so insecure“ nicht abnimmt.

Embrace sind ein bißchen doof, wie The Verve und Oasis auch; sie erzählen keine neue Geschichte, aber sie erzählen die immergleiche Geschichte vom leidenden und euphorisierten britischen Pop sehr schön. Und dieses eine Mal wird man sie sich vielleicht noch mal anhören mögen.

Felix Bayer

So, 14. Juni, 21 Uhr, MarX