Peinlich gibt es nicht

■ Past, Present & Future: Die Edition 406, soeben mit der Verlagsprämie der Hansestadt ausgezeichnet, feiert ausgiebig ihren fünften Geburtstag

Über manche Sprüche können No-Budget-Verleger nur den Kopf schütteln. „Warum macht ihr keine billigeren Bücher?“ werden die Mitglieder der Edition 406 auf Lesungen oft gefragt. Und das, obwohl ihre erste Anthologie Ponal nur gedruckt werden konnte, weil jeder Autor dem Verlag einen Vorschuß pumpte.

1993 hatten Studierende der Fachhochschule für Gestaltung mit Hilfe ihres Dozenten Martin Hielscher, Lektor bei Kiepenheuer & Witsch, die Edition 406 gegründet. Ponal wurde ein Überraschungserfolg – zumindest die erste Auflage. Doch kaum war die zweite erschienen, versiegten die Bestellungen wie von Zauberhand. Es war nicht die einzige Tücke des Verlagsgeschäftes, der sich die Edition 406 stellen mußte – dem Nachfolger Ytong erging es ähnlich. Von den ursprünglichen sieben Mitgliedern sind außer Martin Hielscher nur noch Dierk Hagedorn, Klaus-Jürgen Kühner und Tina Uebel übriggeblieben.

Inzwischen konnten acht Bücher herausgebracht, Dutzende von Lesungen veranstaltet und das Stigma eines Studentenverlages abgestreift werden. Von Gewinnen kann immer noch keine Rede sein, aber vergangene Woche wurde der Edition 406 eine der beiden mit je 20.000 Mark dotierten Verlagsprämien der Stadt Hamburg verliehen – dank welcher der Verlag erstmals nicht mehr bei den Verlegern verschuldet ist. Das Programm umfaßt neben Ponal und Ytong den Comic Jörg, drei kleine Bände über Liebe, das Universum und Beuteltiere sowie einen Kunstband.

Mit der letzten Erscheinung wurde der Verlag sogar international: Patty Diphusa, „Porno-Star, Sexgöttin und Schlampe aus Überzeugung“, war in den frühen 80ern das literarische Alter ego des spanischen Filmregisseurs Pedro Almodóvar. Ihre Streifzüge durch das Nachtleben sind nun erstmals in deutscher Sprache zugänglich – naja, über die grassierende Porno-Seuche kann man unterschiedlicher Meinung sein. Die Schlampenrolle wird auf der Fünf-Jahres-Jubiläumsparty der Schauspieler Tarek Youzbachi übernehmen.

Das nächste Projekt, das ebenfalls heute vorgestellt wird, ist da schon interessanter, denn mit Rude Trip kehrt die Edition 406 zu ihrer Aufgabe zurück, ungewöhnlicher und experimenteller Literatur Gehör zu verschaffen. Die Texte sind auf einer Expedition nach Chicago im vorigen Sommer entstanden, werden in Zusammenarbeit mit amerikanischen Autoren im Internet komplettiert und sollen im nächsten Frühjahr erscheinen. Die bilinguale Kollision ist bereits heute aufschlußreich: Wer weiß schon, daß es im Amerikanischen kein Äquivalent zum deutschen literarischen Wertbegriff „peinlich“ gibt? Barbora Paluskova

Geburtstagsfeier: Donnerstag, 11. Juni, 20 Uhr, Café Absurd, Clemens-Schultz-Straße 84

Infos : www.work.de/edition 406