Heinrich von Kleists verbale Schlachten

■ Das Abaton zeigt eine Reihe mit Film-Adaptionen

Aufgepeppt für die Gegenwart präsentierte Hans Jürgen Syberberg 1970 seinen Kleist: Der Regisseur ließ für San Domingo eine Rockergang den Sohn reicher Eltern entführen und transportierte so die historische Geschichte eines Sklavenaufstandes in die Gründungszeit der RAF. Die Rockergang war natürlich echt, sie trieb, wenn sie nicht vor Syberbergs Kamera stand, in München ihr Unwesen, und während reichlich freie Liebe betrieben wurde, spielten Amon Düül II ihren Krautrock.

Aber vielleicht müssen Heinrich von Kleists Werke gar nicht krass aktualisiert werden, weil sie ungetuned schon krass und aktuell genug sind. Das könnte erklären, weshalb er einer der meist adaptierten Autoren der deutschen Literatur ist. Eine Reihe im Abaton zeigt jetzt, wie mannigfach er das Kino inspirierte. Und in diesem Zusammenhang darf noch einmal das vielzitierte Bonmot von Samuel Fuller weitergereicht werden: „Filme sind wie ein Schlachtfeld.“ Bei Kleist ging es immer um Krieg. Und alles, was damit zusammenhängt: Fremdherrschaft, Verstümmelung, Verlust.

Wobei der physische Kampf sofort metaphysisch erhöht, die Action gleich in verbale Aktion überführt wird. Kaum verwunderlich, daß eine der schönsten Adaptionen von Eric Rohmer stammt, einem unkorrumpierbaren Chronisten der Konversation. 1975 inszenierte er Die Marquise von O., jene Geschichte einer Frau, die ohne Wissen schwanger geworden ist. Mit der sanften Ironie, die auch heute noch sein Kennzeichen ist, durchleuchtete Rohmer seelische und gesellschaftlichen Zustände.

Wie gesagt: Fremdherrschaft, Verstümmelung, Verlust sind von Kleists Themen. Auch in der eigenen Biographie. Helma Sanders-Brahms schuf 1976 mit Heinrich das Porträt eines Künstlers, der in den Abgrund zwischen Anspruch und Wirklichkeit stürzt. Und darin umkommt.

Christian Buß

Die Marquise von 0. (Rohmer): heute, 22.30 Uhr; 21.6, 11 Uhr; 22.6., 17.30 Uhr. San Domingo: 12.6., 22.30 Uhr; 17.6., 17.30 Uhr. Heinrich: 14.6., 11 Uhr; 15.6. + 16.6., 17.30 Uhr. Die Herrmannschlacht: 15.6., 15.15 Uhr, 23.6. + 24.6., 17.30 Uhr. Die Marquise von 0. (Syberberg): 28.6., 11 Uhr. Amphitryon: 29.6. + 30.6., 17.45 Uhr; 1.7., 15.15 Uhr. Der Findling: 6.7. + 7.7., 18 Uhr. Michael Kohlhaas: 13.7. + 14.7., 17.30 Uhr. Der zerbrochene Krug: 20.7. + 21.7., 17.45 Uhr