Der Kundgebung den Saft abgedreht

■ Polizei zerstört Generator, um Anti-Gelöbnis-Protest lahmzulegen

„Mörder, Mörder“-Rufe, Pfiffe, Gehupe aus Gas-Tröten und Musik aus den Lautsprecheranlagen dröhnen über die Absperrungen zu den Soldaten hinüber. Der Wind weht in Richtung des Roten Rathauses, wo in wenigen Minuten die Soldaten ihren Eid schwören sollen. Just zu diesem Zeitpunkt forderte gestern die Polizei die Gegendemonstranten auf, ihre Musik auszuschalten. Da bilden Jusos, Grüne, Autonome und Studenten Ketten um den Stromgenerator. Doch kurz nach 15 Uhr schlagen die Polizisten in Kampfmontur sich den Weg durch die 300 Meter vom Gelöbnis entfernte Kundgebung frei. Sonnenbrillen gehen zu Bruch. Einer geht nach einem Kinnhaken zu Boden. Flaschen fliegen in Richtung der weißen Helme. Wasserwerfer bewegen ihre Rohre hin und her, spritzen aber nicht.

Hektisch rennt Christian Ströbele von den Bündnisgrünen zum Einsatzleiter. „Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts müssen die die Beschallung zulassen“, schreit Ströbele. „Aber Sie tun alles, um zu provozieren.“ Die Beamten treten und drücken sich den Weg frei, reißen das Kabel aus dem Generator und zerschneiden die Leitungen. Die Polizei handelt nach Plan: Zeitgleich beginnen die Soldaten den Schwur aufzusagen.

Dann setzt Regen ein. Doch viele der mehr als 1.500 Demonstranten an der Spandauer Straße juchzen, denn die 300 Soldaten werden auch naß.

Als einige Demonstranten versuchen, zum Gelöbnis durchzubrechen, scheitern sie an den Absperrungen. 16 Personen werden festgenommen. Den meisten wird vorgeworfen, daß sie beim Gelöbnis getrillert hätten. Kurz zuvor wurde am Amtsgericht Tiergarten noch über einen Festgenommenen des Gelöbnisses von 1996 verhandelt: den PDS-Abgeordneten Freke Over. Er soll damals einen Polizisten in den Arm gebissen haben, was er bestreitet. Ein Urteil fällte das Gericht noch nicht.

Von der Schloßbrücke bis zur S-Bahn war der öffentliche Raum gestern fest in der Hand der Polizei. Mit großen Gittern war jede Durchfahrt am S-Bahnbogen abgeriegelt. In der benachbarten Dircksen- und Friedrichstraße stauten sich Autos, Betonmischer und Busse. Die BVG hatte drei Linien verlegt. Doch die meisten Leute nahmen es gelassen. „Wenn die Bonner kommen“, sagte ein Autofahrer, „wird's noch schlimmer.“ Christian Haase

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