■ BSE: EU-Kommission hebt britisches Rinder-Exportverbot auf
: Voreilige Entwarnung

Entwarnung beim Rinderwahn? Beef aus Großbritannien darf wieder auf die europäische Speisekarte, wenn es nach der EU-Kommission geht – jedenfalls von Tieren, die nach August 1996 geboren sind. Dies ist eine politische Konzessionsentscheidung, wissenschaftlich fundiert ist sie nicht. Welch magisches Ereignis hat vor 22 Monaten stattgefunden? Hühner, Schweine und Fische dürfen seitdem nicht mehr mit Tierabfällen gefüttert werden, doch für Rinder galt das Fütterungsverbot schon jahrelang. Dennoch sind auch danach Kälber mit BSE geboren worden.

Die Gnade der späten Geburt mag es in der Politik geben, beim Rinderwahnsinn nicht. Die BSE-Zahlen sind zwar zurückgegangen, aber eben nicht so, wie die britische Regierung prophezeit hat. Im Januar 1998 gab es 460 Fälle – das sind mehr als in jedem der sechs Monate zuvor. Inzwischen sind es fast ausschließlich Tiere, die nach dem Fütterungsverbot mit Tierabfällen geboren worden.

Seit 1993 weiß die britische Regierung, daß es eine vertikale Übertragung von der Kuh auf das ungeborene Kalb gibt, auch wenn sie das erst 1996 zugegeben hat. Auch eine horizontale Übertragung auf der Weide durch Milben im Gras ist in Experimenten nachgewiesen worden.

Darüber hinaus hat man bei der noch laufenden parlamentarischen Untersuchung festgestellt, daß Tiere, die gar keine klinischen Symptome zeigen, möglicherweise infektiöser sind als offensichtlich kranke, weil sich bei ihnen der Erreger nicht im Gehirn, sondern in anderen Körperteilen konzentriert.

Die Empfehlung der Europäischen Kommission, das Exportverbot für britisches Rindfleisch aufzuheben, ist eine politische Geste an die britische Regierung. Ihre EU-Präsidentschaft stand bislang im Schatten anderer Ereignisse wie des Nordirland-Konflikts. Aus verschiedenen Mitgliedsländern war bereits vorsichtige Kritik zu hören. Der britische Premier Tony Blair drängte auf ein Zugeständnis in Sachen Rinderwahn, damit er zu Hause seine Präsidentschaft als Erfolg verkaufen kann. Bei der Kommission ist man von der eigenen Empfehlung auch nicht sonderlich überzeugt. Gestern wiegelten alle Beteiligten ab und verwiesen auf die Landwirtschaftsminister, die dem britischen Beef in Europa noch einen Strich durch die Rechnung machen könnten. Doch man sollte sich keine Illusionen machen: Die Aufhebung des Exportverbotes mag ein wenig verzögert werden, doch sie wird kommen. Diesen Prozeß hat die Kommission gestern in Gang gesetzt. Ralf Sotscheck