Kommentar
: Rechte Provokation, linke HB-Männchen

■ Das Bundeswehrgelöbnis ging glimpflich ab

Es war die Chronik einer angekündigten Provokation: Das zweite Berliner Gelöbnis seit dem Zweiten Weltkrieg, das außerhalb von Kasernenmauern stattfand, war mehr noch als das erste vor dem Charlottenburger Schloß an die HB-Männchen der Linken adressiert. Ausgerechnet am Tag des Mauerbaus sollten junge Uniformierte inmitten der Stadt antreten – nicht zufällig ein paar Wochen vor der Bundestagswahl. Da machen die Berliner Chaoten Randale, lautete das leicht durchschaubare Kalkül des Generalstabs um Volker Rühe. Und die rot-grünen Zweifler können wir bequem als vaterlandslose Gesellen diffamieren. Dachte Volker Rühe. Und hatte sich gründlich verschätzt.

Der Blitzkrieg des Möchtegern-Kanzlers gegen „die Linke“ wurde schon beim verbalen Aufmarschieren gebremst. Selbst der liberaler Neigungen unverdächtige Bundeswehrverband distanzierte sich schnell von dem geschichtsvergessenen Datum. Beim wahltaktischen Sandkastenspielen hatten CDU und Hardthöhe übersehen, daß sich die Ostdeutschen am 13. August Aufmärsche von Kampfgruppen ansehen mußten. Der brave Wolfgang Thierse, der dankenswert daran erinnert hatte, mußte sich zwar von den CDU- Stahlhelmern anpöbeln lassen. Aber schon da war klar, daß Studienrat Rühe im Klassenzimmer besser aufgehoben ist. Zusätzlich mißlang ihm gestern auch noch der geordnete Rückzug auf den 10. Juni.

Anders als viele erwartet hatten, demonstrierten nur wenige gegen die „Militarisierung des öffentlichen Raums“. Und bei den Gegendemonstranten kam es zu Differenzierungen, die der Meinungsbildung des Publikums nur dienlich sein können. Politiker wie Trittin und Gysi mußten sich „staatstragendes Gefasel“ vorwerfen lassen. Das könnte sie davor bewahren, sich zu sehr der Macht anzubequemen. Und mancher autonome Gegner mußte angesichts der kleinen Demonstrantenschar feststellen, wie wenig die schlichte Gleichung Pickelhaube = Wehrmacht = Bundeswehr noch zu überzeugen vermag.

Obendrein befleißigten sich die Gelöbnisgegner der wirkungsvollsten Protestform gegen das Militärische, die es gibt: der zivilen. Die gewalttätige Randale fiel aus. Damit dürfte sich auch die Hoffnung der CDU-Rechten erledigt haben, die die militanten Protestler gern in einem Boot mit SPD, Grünen und Pazifisten versenkt hätten. Christian Füller

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