Im Zeichen der grinsenden Katze

■ Die ländliche Songwriterin Michelle Shocked nimmt ihre Karriere selbst in die Hand

Es geht um nicht viel weniger als die Freiheit der Kunst. Zumindest aber wird das Musikgeschäft als eher betriebswirtschaftlich denn ausdrucksökonomisch kritisiert, wenn etwa die Konzertagentur von Michelle Shocked nichts als die Musik zählen lassen will. Dabei ist kaum mehr passiert, als daß eine Songwriterin durch alle Gitter des Musikbusiness fiel und zu einer mehrjährigen Zwangspause verdonnert wurde.

Dabei hat die Karriere der „Short Sharp Shocked“ unfreiwillig gut begonnen, als ohne ihr Wissen ihr Debut veröffentlicht wurde und die britischen Indie-Charts erklomm. Doch Shocked ließ sich nicht von der Neo-Folk-Welle vereinnahmen und veröffentlichte zickig eine Swing-Platte. Derartiges Gebaren einer vermeintlichen Melkkuh schmeckt Plattenfirmen selten, und so fand Michelle Shocked aktuelles Album Kind Hearted Woman keinen Vertrieb. Heuer muß die schwarzhaarige Bardin auf den mühseligen Selbstvertrieb umsteigen – was aber andererseits zu ihrem Selbstverständnis als Hobo paßt. Hobos sind jene Tramps und Wandergitarristen, die, um Charakter und Schnorrbelastbarkeit des Hausbewohners zu dokumentieren, Zeichen an die Wand kritzelten. So meint eine lachende Katze, eines dieser Hobo-Zeichen, etwa „gutherzige Frau.“

Sich mit Gitarre und Gesang auf den Straßen seine Kohle erklampfen, das klingt utopisch und altmodisch zugleich angesichts einer Musikmaschine, die von inzwischen 3 Fernsehkanälen angespornt wird. Und gerade dieser Mut zum Anachronismus macht Michelle Shocked aus. Mit wenigen Gitarrengriffen erzählt sie vom Leben im ländlichen Amerika, von Witwen, die belästigt werden und von kleinen Mädchen, die sich verlaufen haben. Der Winter, abgebrannte Felder und Hurricanes werden in ihren Miniaturen zu ruraler Poesie.

Volker Marquardt Mi, 26. Juli, Fabrik, 21 Uhr