Kunstwille, Monster und Pappmaché

■ Wann sind schlechte Filme lustig? Eine Erörterung anläßlich der Wiederaufführung von Ed Woods Klassikern

Was macht einen schlechten Film aus? Ein krudes Drehbuch, hölzerne Dialoge, schlechte Schauspieler, billige Kulissen. So weit, so gut – und schon oft gesehen. Für die schlechtesten Filme der Welt verlangt man jedoch noch mehr, und der Golden Turkey, der dem amerikanischen Filmregisseur Edward Wood jr. posthum für sein „Lebenswerk“ verliehen wurde, suggeriert, daß diese diffuse Erwartungshaltung hier ihre Erfüllung findet. Wirklich die schlechtesten Filme der Welt? Die Publicity-Woge, die Tim Burtons Komödie Ed Wood über den C-Movie-Regisseur begleitete, hat es restlos klargemacht. Selbst diejenigen, die sich niemals mit Kino auseinandergesetzt haben, übernehmen das Verdikt, das in seiner Radikalität eine umfassende Kennerschaft vortäuscht. Denn muß man nicht schon viele zähe Zelluloidstreifen überstanden haben, um ein solches Urteil fällen zu können?

Mit einer derart vorgefaßten Erwartungshaltung gerät eine Kinositzung in Sachen Ed Wood schnell zum erdrückenden Indizienprozeß. Allzu offensichtlich sind die technischen Mängel, die dem Perfektionsdrang Hollywoods nun ganz und gar nicht entsprechende Effekte, mit denen der Fortlauf der Handlung zu kämpfen hat. Die Verfolgungsszenen in Plan 9 From Outer Space werden niemandem Schauer über den Rücken jagen: Die Grabsteine, die den Friedhof kennzeichnen, sind eindeutig aus Pappmaché, unmotiviert wechseln Tag- und Nachteinstellungen, den Verfolgern, mehr Comic-hafte Zerrbilder als reanimierte Leichen, stehen Opfer gegenüber, die nicht mehr als schematische Bangigkeitsgesten vermitteln. Ähnlich Bride Of The Monster: Die Story um den abgedrehten russischen Atomwissenschaftler (gespielt von Bela Lugosi), der in seinem amerikanischen Exil postfrankensteinianische Menschenversuche betreibt, wimmelt von Ungereimtheiten und szenischen Notlösungen.

Wenn die Filme Ed Woods jetzt wieder in die Programmkinos gelangen, so geschieht das aber nicht trotz, sondern natürlich eben gerade wegen ihrer Schwächen. Verleih und Publikum versprechen sich von ihnen einen über die Intentionen des Regisseurs hinausgehenden Unterhaltungswert, man präsentiert sie mit dem Anspruch, durch unfreiwillige Komik zu amüsieren. Diesen Anspruch einzulösen tun sich die Filme Plan 9 und Bride of the monster jedoch schwer. Sicherlich, die Unbekümmertheit, mit der der stets von Geldmangel geplagte Wood über alle Schwierigkeiten hinweggedreht hat, frappiert. Die Unbeholfenheit der Darsteller läßt einen immer wieder den Kopf schütteln. Doch ein Großteil dieser Filme besteht aus langatmigen Dialogsequenzen und Szenen, die eben einfach nur ganz normal schlecht sind.

Daß diese beiden Filme einen enttäuschenden Eindruck vermitteln, mag damit zusammenhängen, daß die in Horrorfilmen erzählten Geschichten bereits per se abseitig und klischeebeladen sind und selbst die „schlechtesten Filme der Welt“ nur wenig darüber hinausgehen können. Ed Woods Transsexuellen-Aufklärungsfilm Glen Or Glenda hat dagegen mit seinem Bemühen, authentische seelische Konflikte zu verbildlichen, weitaus mehr Möglichkeiten, filmisch fehlzugehen. Und er nutzt sie durchaus. Vorbildlich „campy“ die große Traumszene Glens, in der zu flotter Bigband-Musik ein abenteuerlicher Bilderreigen gespannt wird, in dem sogar der Satan leibhaftig mit Horn und Bart auftritt.

Davon abgesehen ist Glen Or Glenda noch mehr: Die Ehrlichkeit und Vorurteilslosigkeit, mit der hier versucht wird, menschliche Probleme darzustellen, ist jenseits aller Unfertigkeiten sympathisch. Der versöhnlich-liebenswürdige Eindruck, den dieser Film hinterläßt, mag im nachhinein auch das Urteil über Woods andere Filme modifizieren: Egal, ob er nun ein schlechter Regisseur war oder nicht, ein ganz schlechter Kerl kann er nicht gewesen sein, dieser rührende Visionär, dessen Kunstwille seine Möglichkeiten, ihn umzusetzen, weit überstieg. Ist das nicht auch etwas? Jörg Königsdorf

Die genannten Ed-Wood-Filme laufen im Abaton, Termine siehe Kinoprogramm. Außerdem gibt es heute um 21.45 Uhr die „5. Szene Hamburg Filmnacht“ im Alabama-Kino mit „Glen Or Glenda“ und „Plan 9“.