Am Ärmel ins Geschäft gezogen

Gartenstühle, Polizisten und leere Kuchentheken: Streik bei Karstadt  ■ Von Susanne Hericks

Energisch greift die Abteilungsleiterin nach dem Ärmel einer zögernden Kundin. „Kommen Sie herein, wir haben geöffnet“, sagt sie und zieht ein bißchen. „Bitte kaufen Sie hier heute nicht ein“, tönt es von der anderen Seite, wo die streikenden VerkäuferInnen stehen. Sie legten gestern im KarstadtHaus an der Osterstraße einen Vormittag lang ihre Arbeit nieder. Auch in den beiden Karstadt-Geschäften an der Mönckebergstraße und im Alsterhaus wurde gestreikt: Die Läden öffneten mit einer halben Stunde Verspätung.

Insgesamt streikten rund 1000 Angestellte. Sie folgten einem Aufruf der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG). Die will so die ArbeitgeberInnen in den laufenden Tarifverhandlungen unter Druck setzen.

Die meisten KundInnen an der Osterstraße zeigen Solidarität mit den Streikenden. Die wenigen, die engagierte AbteilungsleiterInnen überhaupt zum Einkauf überreden können, werden erst ab zwölf Uhr reingelassen. „Ich habe Hunger“, rechtfertigt sich ein Einkaufswilliger. Doch das Restaurant des Kaufhauses bleibt geschlossen; die Bäckertheke im Untergeschoß ist leer. Denn auch die Angestellten in der Warenannahme sind im Streik; die Lieferanten fahren mit vollen LKWs zurück. HBV-Gewerkschafterin Petra Reimann freut sich über die „solidarischen“ Reaktionen der Eimsbüttler KundInnen. Nicht so die Geschäftsleitung, die nach der Polizei ruft, um vermeintliche Tumulte zu verhindern. „Ist alles in Ordnung hier?“ erkundigt sich der Beamte, der schließlich auftaucht. Dann verabschiedet er sich wieder – und der Streik geht weiter.

In der Mönckebergstraße, vor dem größten Karstadt-Haus Deutschlands, sitzen die Angestellten auf Gartenstühlen unter ihren Transparenten. Doch im Gegensatz zur Filiale an der Osterstraße gehen die Geschäfte im Inneren des Ladens fast normal. Denn viele MitarbeiterInnen sind nicht bei Karstadt angestellt, sondern bei Firmen, die lediglich im Kaufhaus ansässig sind. Die Gewerkschaften sind dennoch zufrieden – zumal die Geschäftsleitungen durch den gestrigen Streiktag mit zehn Prozent Umsatzverlust rechnen.

Am 24. Juni wird erneut verhandelt. HBV und DAG fordern 4,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, aber mindestens 150 Mark pro ArbeitnehmerIn. Die ArbeitgeberInnen haben nur 1,2 Prozent angeboten – eine Erhöhung, „die nicht einmal der Preissteigerungsrate entspricht“, empört sich der DAG-Verhandlungsführer Hartmut Schacht. „Das kann nicht angehen.“ Anfang der Woche hatten sich deshalb in einer Urabstimmung 90 Prozent der im Einzelhandel Beschäftigten für den Streik ausgesprochen.