Stinkende Dosen, berstende Stühle

■ Wo Familien, Trödler und Müllwerker sich treffen: Recycling-Hof Sasel Von Dorothee Meier

Weit aufgesperrt sind Türen und Kofferraumklappen. Kleinwagen, Kombis mit Anhängern und ein Kleinbus drängeln sich zwischen zwei akkurat ausgerichteten Containerreihen. Samstagvormittag im von einer schütteren Baum-Hecke umrahmten Recycling-Hof Sasel. Eine junge Mutter wirft einen Holzstuhl in einen der grünen Container. Ein Heimwerker in blauer Latzhose entledigt sich alter Farb-eimer, seine Frau steckt Styropor in einen großen Plastik-Sack.

Ob Sperrmüll oder Pflanzenschutzmittel – der Müllhof Sasel schluckt fast alles; und beinahe immer kostenlos. Außer Altöl, gefüllte Feuerlöscher und Autoreifen, für deren Beseitigung die Stadtreinigung, die die Höfe betreibt, selbst viel bezahlen muß. Aber nicht jeder darf anliefern: Gewerbetreibende müssen ihren Müll zu Entsorgungsfirmen bringen, auch Auswärtige sind ausgeschlossen: Schließlich finanzieren sich die Recycling-Höfe über die Hausmüllgebühren. Allerdings, so ein Recycling-Werker: „Manche sehen das nicht ein und fangen an zu motzen.“

Die Bewohner der umliegenden Stadtteile nutzen den Saseler Hof ausgiebig. An einem Samstag wurden schon mal gut tausend Besucher gezählt. Dann reicht die Wagenkolonne fast bis zur Kreuzung an der nächsten Hauptstraße. Manchmal sind Autos mit Segeberger oder Pinneberger Kennzeichen dabei. „Zu kontrollieren ist das kaum“, sagt Gerd Rohwedder, Sprecher der Stadtreinigung. „Wer soll beweisen, daß das alte Fahrrad nicht von der Oma aus Volksdorf ist?“

Eine Presse quetscht Sperrmüll in einem Container zusammen. Ein Holzstück fliegt berstend durch die Luft. „Das kommt schon mal vor, wenn sich etwas in der Presse verkantet“, erklärt Rohwedder. Sperrmüll wird am häufigsten abgeliefert: Vier 20 Kubikmeter große Container pro Tag. Brauchbares wird in einer Möbelhalle zwischengelagert: Ein rustikaler Eichen-Tisch steht neben einem weißfurniertem Küchenschrank. Jeder kann sich hier Möbel umsonst abholen. Für professionelle Trödler, die sich früher beim Sperrmüll bedienen konnten, eine verlockende Anlaufstelle. Einige Männer, so wissen Mitarbeiter des Recycling-Hofes zu erzählen, kamen zunächst fast jeden Tag. Jetzt gibt es gezielt Hausverbot. Nun kommen Strohmänner, oder – ein mühseliges Geschäft – man wartet am Eingang. Auch heute stehen vier Männern vor dem Hof und schwatzen den Neuankommenden Nützliches ab.

Die leeren Farbeimer des Heimwerkers fallen scheppernd in einen Container. 90 Tonnen alter Farb- und Lackdosen kamen 1994 allein in Sasel zusammen. Im gelben Container des „Dualen System“ werden die Plastiktüten, in denen der wertvolle Müll transportiert wurde, „fachgerecht entsorgt“. Eine junge Frau wirft zwei braune Bierflaschen in den Glascontainer und wird im letzten Moment von einem Müllwerker gestoppt. Farbloses Glas ist teurer als farbiges. Die Scherbenhaufen in den Containern sind bunt. „Wir können hier nicht extra jemanden nur zum Aufpassen hinstellen“, meint Gerd Rohwedder. Gegenüber stehen große Container für Altmetall. Fahrräder, Waschmaschinen oder Kühlschränke transportiert die Stadtreinigung zu den Beschäftigungsgesellschaften Hamburg-West und Hamburger Arbeit. Langzeitarbeitslose sortieren dort den Schrott, arbeiten Brauchbares auf und zerlegen Kühlschränke in ihre Einzelteile. Auf den Recycling-Höfen werde der Müll nur gesammelt und sortiert, betont Rohwedder. Gepresster Sperrmüll landet beim Holzverwerter, Glas beim Dualen System Hamburg, Altöl bei Raffinerien, Farbe und Chemikalien verbrennt die Abfallverwertungsgesellschaft in der Borsigstraße als Sondermüll.

Stolz verweist Rohwedder auf seinen Giftschrank, in dem sich alles sammelt, was nicht den normalen Hausmüllweg zu Deponien und Hausmüllverbrennung nimmt: Die „Problemstoff-Annahme“ für alles Giftige, Brennbare und Explosive ist in einem weiß-lackierten Flachbau untergebracht. Fußboden und Regale sind mit blechernen Metall- und blauen Plastik-Tonnen mit Leimmittel, Foto-Entwickler und Lösungsmittel vollgepackt. Eine Chemotechnikerin ordnet Flaschen, Dosen und Beutel mit Holzschutzmitteln, Pinselreiniger oder Klebstoffreste ein. Die Behälter werden mit porösen Kügelchen aufgefüllt – „Falls etwas beim Transport kaputt geht und ausläuft“, erklärt die Fachfrau.

Am Ausgang verhandelt gerade ein schlicht gekleideter Mann mit einem Herren in Lodenjacke um ein altes Sofa im Kofferraum. Später transportiert er die Sitzgelegenheit, um mit dem Verkauf seine Sozialhilfe aufzubessern.