Die Deutschen Bahnen auf dem Natur-Trip?

Wer derzeit den Hamburger Hauptbahnhof betritt, wird wahrscheinlich überrascht sein: Meterhohe Bäume thronen auf den Bahnsteigen und vermitteln dem Ort ein Flair aus jener Zeit, als die Bahn noch in Kleinstädten hielt, umgeben von blühendem Buschwerk und duftender Landluft. Sofort fragt sich der Skeptiker jedoch: Werden die Bäume die Bahnhofsluft überleben? Ein kurzes Fummeln am Blattwerk bringt dann den Befund zutage: Es handelt sich um erstklassige Imitate. Spätestens jetzt wird der Skeptiker grantig.

Zunächst einmal fällt auf, daß für die Landpartie noch unverzichtbare Accessoires fehlen. Warum dachten die Designer nicht daran, klopfende Spechte an den Fahrkartenautomaten zu installieren? Hübsch wäre auch ein reißender Wildbach neben den Rolltreppen. Außerdem fehlt Vogelgesang – denkbar wäre, Amseln mit implantierten Lautsprechern an den Stahlgerüsten anzubringen. Höhepunkt für Touristen wäre zweifelsohne ein abendlicher Bahnhofsbesuch, wenn zwischen 19 und 20 Uhr die Nachtigall schlägt.

Aber nein, alles Gedanken in die falsche Richtung, richtige Natur sieht anders aus. Will man echte Natur suggerieren, käme dies Modell in Frage: Ferngesteuerte Ameisenimitate krabbeln den Fahrgästen die Waden hinauf. Ein mit der „random“-Taste ausgerüstetes Computer-Programm entläßt Zecken, die in unregelmäßigen Abständen von der gläsernen Decke fallen. Mit Monozellen angetriebene Hasen schießen quer über die Gleise, wodurch bei Lokführern und Fahrgästen endlich wieder die Ausschüttung körpereigener Endorphine sichergestellt ist, die zu einem Streifzug durch die Natur auf jeden Fall gehört.

Gabriele Wittmann/ Foto: Markus Scholz