Stellenweise vergeigt

■ SHMF: Aleksandr Madzar spielte Klavier in Reinbek

Nein, die Etudes seien doch recht heikel, die seien ihm einfach zu schwer. Die Antwort Aleksandr Madzars auf die Frage, weshalb er den selten gespielten Debussy-Zyklus aus dem Programm seines Reinbeker Klavierabends genommen habe, läßt Fähigkeit zur Selbstkritik erkennen. Schade war es dennoch, zumal die dem Festivalpublikum ersatzweise gebotene Gasteiner Sonate des Schubert Franzl dem jungen Serben kaum überzeugend geriet. Rein technisch sind die Klavierwerke des Wiener Romantikers zwar weniger vertrackt, doch in der dreiviertelstündigen Weite der klassischen Viersätzigkeit stellen sich gestalterische Probleme, an denen sich die Ausdrucksleere eines angelernten Konservatoriumsstils offenbart. Bereits die Dynamikkontraste des Kopfsatzes gerieten Madzar berechenbar plakativ, seine Neigung zu brachialem Forte-Gedonner setzte die Sonatenarchitektur einer argen Belastungsprobe aus. Gestalterische Grobheiten als Ersatz für manuellen Feinschliff prägten auch den weiteren Fortgang des Stückes: Wo das stetig wiederkehrende Thema des zweiten Satzes verlangt, mit liedhafter Schlichtheit artikuliert zu werden, drückte Madzar bleiern Tasten und Pedal.

Hatte sich die erste Hälfte dieses Dienstag abends nicht über anständiges Hochschulniveau erheben können, boten die Stückchen aus Prokofieffs Romeo und Julia und Ravels allbeliebte Pavane wenig Probleme und wurden brav auskoloriert ohne viel Federlesens durchgespielt. Warum der Jungpianist aus der Moskauer Meisterschmiede international einige Preise einheimsen konnte, zeigte er abschließend mit Ravels Klaviertranskription seines Tongedichts La Valse: In den ausgetüftelten Fingersätzen des extravaganten Franzosen erwies sich Madzar als weitgehend sattelfest. Das morbide Walzer-Flair blieb zwar auf der Strecke, doch das Publikum dankte herzlich für die reichlich gelieferten Phonstärken.

Jörg Königsdorf