Männer mit Herz

■ Herb und schön: Georgische Volksmusik im Museum für Hamburgische Geschichte

„Einer schönen Frau bin ich verfallen, einer Frau mit glutroten Lippen. Gott, was habe ich verbrochen. Ihr Schatten folgt mir, der Klang ihrer Stimme läßt mich nicht mehr frei.“ Die Männer, die diese Verse in fremder Zunge im Museum für Hamburgische Geschichte sangen, sind aus Georgien gekommen, mit großen Herzen.

Der A-capella-Gesang des Ensemble Urmuli klingt herb und melancholisch. Mit klaren Stimmen bilden sie stehende Klänge, bewähren sich in engen Dissonanzen, finden weite Harmonien – von keinem Vibrato versüßt, unsentimental.

Sie kennen auch Kampflieder. Die handeln von Pferden, Stolz und Heimweh. Da feuern sie sich gegenseitig zu reitenden Rhythmen an. Die fünf Georgier in auberginefarbenen Mänteln und Reitstiefeln tragen Dolche am Gürtel, und ihre Brust ist patronengeschmückt. Meistens aber blieben sie friedlich. Zum Tremolo langhalsiger Zupfinstrumente spielten dann Flöte und Kniegeige kaukasische Melodien, mal zart und bedeckt, verhielten ganz, stelzten dann allmählich in die wilde Hatz eines dahinjagenden Tanzes.

Nichts kam aber der Musik für vier Duduki gleich. Mit geblähten Wangen hielten die Urmulis die Oboen-Cousinen, langatmend wie in ihren Vokalstücken, tief verschmolzen im Fernweh – so sehnsuchtsvoll wie nur je einsame Männer aus den Bergen.

Ein Lagerfeuer hatte im glasüberdachten Museumshof niemand entzündet, der frühe Sonntagabend war sternenlos. Und die Geometrie der Stuhlreihen tat das übrige, eine authentische Atmosphäre zu unterdrücken, die der intimen Musik entsprochen hätte.

Trotzdem ließ sich das betagte Publikum zu dem Kreischen der Begeisterung hinreißen, das so sonst nur für Popstars oder in den Tälern des Kaukasus ertönt. Deshalb gab es zur Belohnung, in eigenwilligem Stilbruch, Mozarts Türkischen Marsch für die Verzückten und fünf schön gezapfte Biere für die Exoten.

Hilmar Schulz