Riskier was!

■ Daniel Greaves, Oscar-Preisträger und Jurymitglied beim Kurzfilmfestival, über mögliche Strategien von short-movies

Matt Phlatt ist ein flacher Charakter, auch im ganz buchstäblichen Sinn. Sein Schöpfer, der Brite Daniel Greaves, hat ihn zunächst auf Karton gemalt und dann animiert. Flatworld war im letzten Jahr der Renner auf dem Hamburger Kurzfilm-Festival und gewann den Publikums- und den Jury-Preis. Greaves, der 1992 für seinen zweiten Streifen Manipulation den Kurzfilm-Oscar gewann, ist in diesem Jahr selber in der Jury des internationalen Wettbewerbs.

taz hamburg: Flatworld ist ein Film über den zweidimensionalen Alltag und die 3-D-Farbenwelt des Fernsehens. Matt Phlatt zappt zwischen ihnen hin und her. Ist er für sie ein typischer Charakter unserer Zeit?

Daniel Greaves: Ja, ein Element von Matt ist in uns enthalten. Der Film zeigt Matt, wie er das Leben so nimmt, wie es eben ist, ohne es herauszufordern. Und dann kommt der Moment, wo er seine alte Welt verteidigen muß. Er kehrt in sie zurück, aber er hat eine andere Seite gesehen.

Müssen wir uns für eine entscheiden, oder besteht unser Leben im „Zwischen-den-Welten“?

Ich glaube, wir alle suchen ständig nach alternativen Lebensstilen, ohne immer genau zu wissen, wie der aussehen könnte. Aber ohne Risiko passiert nichts.

Ist die Animationstechnik auch so ein Risiko? Man könnte sie als Antwort auf den tagtäglichen Bilderstrom verstehen, der sich über uns ergießt.

Ich wollte für meinen Film eine neue, unverbrauchte Technik verwenden. Die gemalte und dann trickbewegte Kartonwelt war eine. So ist es auch ein Film über Animation selber geworden, denn selbst der Zuschauer ohne Spezialwissen erkennt die flachen Charaktere. Flatworld spielt so mit der Vorstellung von den Dimensionen.

Haben Kurzfilme einen speziellen Ort zwischen dem „großen“ Kino à la Titanic auf der einen und dem schnellen Video-Clip auf der anderen Seite?

Auf alle Fälle. Kurzfilme müßten ein viel größeres Publikum haben. Man kann sich nur über Festivals immer mehr mit ihnen vertraut machen. Im Gegensatz zu vielen Spielfilmen kommen Kurzfilme auf den Punkt. Sie geben in sehr kurzer Zeit ein sehr starkes, präzises Statement über Charaktere oder Umstände ab.

In diesem Jahr sind sie selber in der Jury. Welche Kriterien legen sie bei der Bewertung an?

Ich achte sehr genau auf die Entwicklungen des Plots, auf starke narrative Strukturen. Alle relevanten Aspekte, um einen runden Film zu machen, müssen vorhanden und in kurzer Dauer erzählt sein. Das verlangt Effizienz.

Wie würden Sie die Situation von Kurzfilmen im internationalen Vergleich beschreiben?

Andere Länder kenne ich nicht so gut, aber in England wächst die Kultur der short-movies an. Sie erhält von Channel 4 oder der BBC gute Unterstützung. Außerdem bekommt sie größere Bedeutung als Startrampe für Regisseure, die Langfilme machen wollen. Kurzfilme sind da ein guter Test.

Sind sie nur Durchgangsstation oder ein wirklich eigenes Betätigungsfeld?

Ich persönlich bleibe bei Kurzfilmen, weil ich in der Produktion nicht so viel delegieren will. Ich brauche überschaubare Strukturen und will alles unter Kontrolle behalten. Viele machen es anders, aber die Struktur ändert sich beim Wechsel vom Kurz- zum Spielfilm natürlich komplett.

Haben Kurzfilme auch eine TV-Zukunft, oder sollten sie im Kino bleiben?

Das hängt von der Qualität ab. Manche passen ins Kleinformat, andere müssen auf die Leinwand. Meine Filme möchte ich unbedingt im Kino vorgeführt sehen, sonst verpaßt man so viele Details

Interview: Jörg Metelmann