Von Hundehaß und bösen Blicken

Während Besitzer von „Kampfhunden“ deren Harmlosigkeit beschwören und die Hand für sie ins Feuer legen, machen Passanten doch lieber einen respektvollen Bogen um sie  ■ Von Barbara Bollwahn

Die junge Frau wollte nur ein Päckchen bei der Nachbarin abholen. Als sie klingelte und die Tür aufging, wurde sie von „Whiskey“, dem Pitbull, angefallen. Er verbiß sich im Arm der 29jährigen, die in den Hinterhof flüchtete und um Hilfe schrie. Ein hinzueilender Mann versuchte, das Tier zu verscheuchen. Ohne Erfolg. Dann fand er einen Backstein und schlug auf den Kopf des Hundes. Erst nach etwa zehn Schlägen ließ das Tier von der Frau ab, die mit Bißverletzungen ins Krankenhaus mußte. Der Hund ist gestorben. Gegen die 24jährige Hundebesitzerin läuft ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Nevin kennt solch aggressive „Kampfhunde“. „Es gibt so viele Chaoten, die nicht damit umgehen können“, schimpft der 25jährige. Am Südstern, wo er mit seiner Pitbull-Hündin „Emma“ und „Gauscha“, einem Mischling aus Boxer und Stafford, wohnt, gebe es regelrechte „Revierkämpfe zwischen kräftigen Hunden“, erzählt er. „Die sind so aggressiv, das macht keinen Spaß.“ Viele der Halter böten ihm regelmäßig Kämpfe mit ihren „Kampfmaschinen“ an. „Es hat keinen Sinn, mit denen zu reden“, sagt Nevin.

Leinenzwang in Parks findet der Sohn einer Deutschen und eines Türken okay – hält sich aber nicht dran. Obwohl ein Schild am Parkeingang auffordert, Hunde anzuleinen, läßt Nevin „Gauscha“ frei rumlaufen. „Ich kann das verantworten“, sagt er. Das Hundeauslaufgebiet meidet er. „Da sind nur Hunde, die sonst immer an der Leine sind und dann total verrückt spielen.“ Nur „Emma“ hat er an der Leine. Die Pitbull-Hündin hat er von einem Drogenabhängigen übernommen. „Sie war total verzogen und schreckhaft“, erzählt er. Nach einem Jahr „harter Arbeit“ sei sie nicht wiederzuerkennen. Warum er sie dann an der Leine hat? „Sie ist eine kleine Jägerin.“ Die Leine ist die Strafe dafür, daß sie auf der Jagd nach einem Kaninchen ins Freiluftkino ausgebüxt ist. Den Jagdinstinkt läßt er gelten, doch „nach einer Weile soll sie hören und zurückkommen“. Macht sie das nicht, „unterwirft“ er sie. Dann muß sie sich auf den Rücken legen. „Notfalls lege ich mich auf sie drauf“, beschreibt Nevin seine Erziehung.

Er findet es „nicht schlecht“, daß Hundehaltern verschärfte Auflagen gemacht werden sollen. Nach der neuen Verordnung, der noch die Senatsverwaltungen für Justiz, Inneres und Finanzen und der Rat der Bürgermeister zustimmen müssen, gilt ein Hund dann als gefährlich, wenn er Menschen anspringt, bissig ist oder andere Tiere hetzt. Hat Herrchen sein Tier nicht im Griff, muß er einen „Hundeführerkurs“ beim Tierschutzverein machen. Außerdem sollen Hundehalter zu Strafen bis zu 10.000 Mark verdonnert werden können. Auf Liegewiesen, Kinderspielplätzen und an Badestellen dürfen sie sie in Zukunft nicht mehr mitnehmen.

Das einzige, was Nevin wirklich stört, sind die „bösen Blicke“, wenn er seine Hunde mit in ein Lokal nimmt. „Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, daß sie Menschen nichts tun“, beteuert er. Doch „ganz ausschließen“ kann er es dann doch nicht. Nevin zuckt mit den Achseln. Verordnung hin oder her, eine Lösung sieht er nicht. „Das ist kaum machbar“, sagt er, „der Hundehaß ist da.“

Während Nevin mit seinen Hunden durch die Hasenheide läuft, machen viele Fahrradfahrer, Jogger und Spaziergänger einen respektvollen Bogen um ihn. „Ich gehe solchen Hunden lieber aus dem Weg“, sagt der Vater, der mit Sohn Julian auf dem Spielplatz auf der Wippe sitzt. Negative Erfahrungen habe er aber noch keine gemacht. Daß eine verschärfte Hundeverordnung Abhilfe bringt, bezweifelt der Vater. „Das ist doch das gleiche wie mit Alkohol am Steuer“, sagt er. Eine Kindergärtnerin, die mit ihren Sprößlingen im Park spazierengeht, erzählt, daß die Kinder Angst haben. „Wir sagen ihnen, daß sie die Hunde nicht anfassen sollen.“ Für die Mutter, die mit ihrem Kind im Park unterwegs ist, ist die neue Verordnung „Ausdruck der Hilflosigkeit“ der Politiker. „Demnächst wird wohl eher ein Leinenzwang für Kinder durchgesetzt“, schimpft sie, „um Hunde und ihre aggressiven Besitzer vor ihnen zu schützen.“ Sie schlägt eine „Giftwurst-Initiative“ vor, „damit Kinder und andere Menschen endlich wieder die Freiräume erhalten, die ihnen von den Scheißkötern genommen wurden“.