Die Selbstmordrate wegen Pleiten verdreifachte sich

■ Zahl der bankrotten japanischen Firmen nahm um 37 Prozent zu – keine Besserung in Sicht

Berlin (taz) – Das deutlichste Symbol für die Ausweglosigkeit der japanischen Finanzmisere ist die jüngste Selbstmordstatistik der japanischen Polizeibehörde. Gegenüber 1990 hat sich die Zahl der Selbstmorde wegen Schulden, „schlecht laufender Geschäfte“, Bankrotte und Arbeitslosigkeit verdreifacht. In Japan wird Selbsttötung als ein Weg angesehen, mit einem Problem fertig zu werden. 1997 nahmen sich insgesamt 24.391 Japaner das Leben.

Die Finanzkrise durchdringt den Alltag, zeigt sich auch in banalen Dingen: So ist nirgendwo der Hamburger so billig wie in Tokio. Aber was McDonald's anderswo als sensationelle Preisstrategie verkaufen könnte, die die Konkurrenz chancenlos aus dem Feld schlüge, ist in Japan schlicht eine Frage des Überlebens. Denn dort herrscht Deflation: Die Preise verfallen, Handel und Unternehmen überschlagen sich in Preisnachlässen, um überhaupt noch etwas zu verkaufen. Viele Betriebe haben ihre Kapazitäten längst heruntergefahren, die Auftragseingänge beispielsweise im Maschinenbau sanken allein im April um ein Fünftel. Im Mai machten 1.791 Unternehmen pleite, 37,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Das ist der zweithöchste Stand für den Monat Mai seit dem Zweiten Weltkrieg – die Binnenwirtschaft funktioniert nicht.

Die Überwindung der Krise könnte ähnlich schwierig sein. Das asiatische Wachstumsmodell funktionierte vor allem durch das Zusammenspiel von Konzernen, Wirtschaftsministerium und liberaldemokratischer Herrschaft, in das auch das Finanzsystem eingebunden war. Es kam zunächst mit höheren Graden von Verschuldung zurecht als westliche Systeme, weil alle Protagonisten wie Teilhaber eines nationalen Unternehmens zusammenarbeiteten.

Trotz dieses spezifisch japanischen Systems verließ sich die Regierung auf westliche Konzepte zur Krisenbewältigung. Unter dem Eindruck der ersten Bankenzusammenbrüche drängte Hashimoto die Geldinstitute zu forcierter Sanierung und stellte die Sanierung der Staatsfinanzen mit obenan. Erst zu Beginn dieses Jahres setzte sich die Erkenntnis durch, daß der strikte Sparkurs die Binnenwirtschaft zerstörte. Im April brachte die Regierung ein 200-Milliarden-Mark-Paket zur Ankurbelung der Konjunktur auf den Weg – zu spät, wie Experten fürchteten. Und zu halbherzig: Der Großteil des Geldes fließt in umstrittene Infrastrukturprojekte. So dürfte es der Regierung weiter schwerfallen, das Vertrauen der Welt in die japanische Wirtschaft wieder zu erringen. Und genau darauf ist Tokio am meisten angewiesen. Beate Willms