„Man muß Spur aufnehmen“

■ Glückliche Entscheidung: Ulrich Khuon tritt die Flimm-Nachfolge an und wird ab 2000 Intendant des Thalia Theaters

Es war offensichtlich keine leichte Entscheidung: Statt wie geplant die Nachfolge des seit 1985 amtierenden Thalia Theater-Intendanten Jürgen Flimm am Freitag abend mitzuteilen, wurden die Gespräche mit den vier Bewerbern Volker Canaris, Wolfgang Engel, Matthias Hartmann und Ulrich Khuon auf Sonntag vertagt. Dann aber traf der Aufsichtsrat des Theaters unter Vorsitz von Kultursenatorin Christina Weiss die richtige Wahl: Ab der Spielzeit 2000/2001 wird Ulrich Khuon, derzeit Intendant des niedersächsischen Staatstheaters in Hannover, Chef des Hauses am Alstertor.

Der 47jährige gebürtige Stuttgarter studierte Germanistik, Theologie und Jura und arbeitete drei Jahre als Literaturkritiker, bevor er 1980 seine Theaterlaufbahn als Chefdramaturg und Regisseur am Staatstheater Konstanz begann, das er 1988 als Intendant übernahm. 1993 wechselte er nach Hannover. In fünf Jahren gelang es Khuon, das Theater über die Bespielung von drei Häusern – Schauspielhaus, Ballhaus und Cumberlandsche Galerie – mit einem experimentierfreudigen Autorentheater, der Verpflichtung von Regisseuren wie Andreas Kriegenburg und Leander Haussmann sowie Uraufführungen junger DramatikerInnen wie etwa Dea Loher von seinem provinziellen Muff zu befreien.

Hamburg, so Khuon gestern im taz-Gespräch, sei für ihn genau die richtige Herausforderung nach sieben Jahren Hannover. Mit offenen Augen und einer Vision will er nach Hamburg kommen: „Ich habe klare Interessen seit Jahren, die stellt man nicht einfach ab. Andererseits will ich natürlich nicht nur ein Konzept durch die Landschaft tragen. Es geht nicht um eine Umtopfung meines Vereins.“ Das Autorentheater, sowohl von Regieautoren, die Projekte mit dem Ensemble erarbeiten, als auch von „klassischen“ Stückeschreibern, wird weiterhin wichtiger Teil seiner Arbeit sein. „Man muß Spur aufnehmen zu jungen Autoren“, dürfe aber nicht „eine Schiene zu Tode reiten“. Wichtig ist Khuon auch ein fest umrissenes Ensemble: „Ich hänge am Familienmodell.“

Daß er mit der überfälligen Verjüngung des Thalia Theaters zu nah ans Schauspielhaus rückt, fürchtet Khuon nicht. Sein Modell sei ähnlich, aber literarischer. Auch die Verärgerung braver Abonnenten läßt ihn nicht zweifeln: „Natürlich werde ich versuchen, das Publikum zu interessieren. Aber ich werde nicht hineinhorchen: ,Was wollt ihr denn?' Ich habe große Energie und werde für mein Theater offensiv werben.“ Was heute am Thalia passiert, nennt der Noch-Hannoveraner vorsichtig „als Gesamtsumme außerordentlich eindrucksvoll. Was aber nicht heißen muß, daß es so weiter geht.“

Kräfte zu verbinden, ohne kompromißlerisch zu sein hält Ulrich Khuon neben „Riesenneugier“ für eine der wesentlichen Qualitäten eines Intendanten. Und im hoffentlich begründeten Vertrauen auf einen ungekürzten Etat plant er seine Intendanz im Jahr 2000 mit einer „Leistungsexplosion“ zu beginnen.

Christiane Kühl