„Das war eine schlecht vorbereitete Aktion“

■ Pariser Abschiebezentrum kurze Zeit besetzt

Paris (taz) – „Dies wird eine Besetzung. Es kann sein, daß dabei eure Papiere kontrolliert werden.“ So steht's auf dem Zettelchen in Zigarettenpapiergröße, das eine junge Frau an die kleinen Gruppen von Wartenden auf der Place de ChÛtelet verteilt.

Die Wartenden kennen sich. An der Gare de Lyon haben sie auf den Gleisen gesessen, um den Zugtransport von AlgerierInnen zu verhindern, die in ihr Land zurückgebracht werden sollten. An den Flughäfen von Paris haben sie erfolgreich PassagierInnen aufgefordert, zu verhindern, daß neben ihnen gefesselte und geknebelte Abschiebehäftlinge nach Mali geflogen werden. An diesem Freitag ist ein neuer nationaler Aktionstag. Während auf linken Seine-Seite eine Demonstration von „Papierlosen“ läuft, während vielerorts in Frankreich „republikanische Patenschaften“ zum Schutz der Papierlosen zelebriert werden, und während im 20. Arrondissement AbschiebekandidatInnen ein Gebäude besetzen, hat das anarchistische „Anti-Abschiebungskollektiv“ seine AnhängerInnen auf die Place de ChÛtelet gerufen.

Kaum jemand weiß, wohin es gehen soll. Um halb fünf ruft jemand: „Los geht's.“ Rund 120 Menschen überqueren zwei Straßen und zwei Brücken und steigen bei St. Michel gemeinsam die Stufen zur RER hinunter. Der Zug ist proppenvoll. Es ist kaum noch zu erkennen, wer dazugehört. An der Gare du Nord kommt das Kommando zum Austieg. Draußen ruft jemand: „Schnell jetzt.“ Wenig später passiert die Gruppe die Eingangstüre zum Abschiebezentrum der französischen Ausländerpolizei.

Jemand schließt die Eingangstüre von innen ab. Dann hasten 120 Menschen das Treppenhaus hoch. An jedem Fenster bleiben welche stehen und blicken hinaus. Auf der Straße kommen die ersten Polizeiwagen an. Plötzlich haben die BesetzerInnen Flugblätter: „Stopp aller Abschiebungen“ steht darauf. Die werfen sie jetzt durch die Fenster auf die Straße, wo sie auf die Polizisten fallen. Plötzlich ist alles blau. Dutzende von Polizisten drängen die BesetzerInnen zusammen. Die ersten Knüppel gehen auf sie nieder. Aus einer Stirn spritzt Blut. Ein Besetzer wird das Treppengeländer heruntergetreten. Die BesetzerInnen werden fünf Etagen heruntergetrieben. Ein paar bleiben liegen. 64 von ihnen werden festgenommen. Die Medien ignorieren das Ereignis. „Das war schlecht vorbereitet“, gibt das „Anti-Abschiebungskollektiv“ tags drauf zähneknirschend zu. Dorothea Hahn