Die Giftmischer des Apartheid-Staates

In geheimen Labors versuchten südafrikanische Wissenschaftler in den 80er Jahren den Bau von B- und C-Waffen. Vor der Wahrheitskommission müssen sie nun öffentlich Rechenschaft ablegen  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

Die Diagnose hörte sich harmlos an. Im April 1989, so hieß es in einer dürren südafrikanischen Zeitungsmeldung, mußte Frank Chikane wegen einer Gastritis im Krankenhaus behandelt werden. Zugezogen habe er sich die schmerzhafte Magenreizung auf einer Reise durch Namibia. Nur wenige Wochen später fühlte sich Chikane vollkommen genesen und flog in die USA.

Doch das Leiden war hartnäckiger, als er dachte. Mehrmals mußte der damals 38jährige erneut ins Krankenhaus eingeliefert werden, einmal sogar mit einem kurzzeitigen Herzstillstand. In Chikanes Urin wurde Gift gefunden. Freunde und Kollegen hatten einen häßlichen Verdacht: der prominente, unbequeme Kirchenführer sollte vom Apartheid-Regime schleichend vergiftet werden.

Daß dieser Verdacht durchaus berechtigt war, erhärtete sich jetzt in einer Sonderanhörung der südafrikanischen Wahrheitskommission. Erstmals mußten Ärzte und Chemiker des Regimes Auskunft geben über damals streng geheime Programme zur Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen.

Selten lagen in einer Anhörung der Kommission, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Apartheid-Zeit untersucht, Wahrheit und Farce so nah beieinander. Schwitzend und stotternd mußten die besten regimenahen Wissenschaftler Rechenschaft ablegen über ihr größenwahnsinniges Tun.

Seit 1983 verfolgte die Regierung ein geheimes vielfältiges Programm zur Entwicklung von B- und C-Waffen. À la James Bond sollten kleine Wunderwaffen gegen Prominente wie Chikane entwickelt werden, aber auch Massensterilisierungsmittel für Schwarze.

Der Chemiker Wouter Basson leitete die Forschungen innerhalb der Armee. Wie viele Schergen wurde er nach dem Ende des Systems kriminell und steht jetzt wegen Anstiftung zum Mord und Drogenhandel vor Gericht.

Besessenheit spricht aus den meisten Projekten, die die Forscher in mehreren Tarnfirmen verfolgten. Da sollten etwa für weibliche Angehörige der verbündeten Rebellentruppe Unita in Angola Sterilisierungsmittel erfunden werden, weil deren Vorgesetzte sich ständig über Schwangerschaften beklagten. Angeblich wollte Basson auch Schwarze in der besonders renitenten Region Ostkap mit Cholera infizieren lassen. „Damit sollte die schwarze Mehrheit unter Kontrolle gehalten werden“, sagte der Chemiker Daan Goosen.

Obwohl Angehörige der Nationalen Partei schon seit 1986 mit dem ANC über einen friedlichen Übergang zur Demokratie verhandelten, wollten die politisch Verantwortlichen und Militärs ihre Geheimwaffenpläne nicht stoppen. So suchten die Hexenmeister angeblich nach einem Gift, das Nelson Mandela schleichend schädigen sollte, um ihn anschließend krank aus der Haft entlassen zu können. Auch sollten synthetische Drogen wie Mandrax und Ecstasy unter gewaltbereite Demonstranten gebracht werden.

Wie erfolgreich die Wissenschaftler waren und ob tatsächlich B- und C-Waffen für militärische Einsätze produziert wurden, ist bislang unklar. Auskunft darüber soll der wichtigste Zeuge, Wouter Basson, geben. Das Gift für Frank Chikane etwa wurde in dessen Unterhosen appliziert und war dadurch kaum wirksam. Um den heutigen Chefberater des künftigen Präsidenten Thabo Mbeki zu töten, wäre großflächigerer Körperkontakt notwendig gewesen.