Arafat umwirbt Islamisten

Der PLO–Chef bietet Hamas eine Beteiligung an der Autonomieregierung an. Die Islamisten lehnen ab. Die neue Regierung erwartet ein Mißtrauensvotum  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Nach Angaben von Tayib Abdel-Rahim, dem Generalsekretär der Palästinensischen Autonomiebehörde, hat Palästinenserpräsident Yassir Arafat die islamistische Widerstandsorganisation Hamas eingeladen, an der Regierung teilzunehmen. Der Sprecher der Hamas-Organisation in Gaza, Mahmoud Zahar, lehnte das Angebot ab. Hamas werde seine ideologische Grundhaltung nicht ändern, um der palästinensischen Regierung beizutreten.

Das Angebot an Hamas erfolgte am Vorabend einer Sitzung des palästinensischen Parlaments, das ein Mißtrauensvotum gegen die gesamte palästinensische Regierung angekündigt hatte. Parlamentspräsident Abu'l Ala forderte die Abgeordneten auf, ihren Mißtrauensantrag auszusetzen, bis Arafat seinen Vorschlag für eine neue Regierung zusammengestellt habe. Bereits in der vergangenen Woche hatte Abu'l Ala eine Sitzung des Parlaments abrupt unterbrochen, nachdem dieses die Bildung einer neuen Regierung und die Abstimmung über ein Mißtrauensvotum gegen Arafat gefordert hatte.

Die Differenzen zwischen dem Parlament und der palästinensischen Regierung sind tief. Das 80köpfige Parlament fühlt sich von der Exekutive mißachtetet und ignoriert. Selbst das sogenannte Grundgesetz, das vom Parlament in dritter Lesung verabschiedet wurde und die grundlegenden Bürgerrechte regelt, ist von Präsident Arafat bislang nicht unterzeichnet worden, weil es die Kompetenzen von Geheimdienst und Regierung entscheidend einschränkt.

Die Differenzen zwischen Regierung und Parlament gehen vor allem auf die Untersuchung über die Korruption innerhalb der palästinensischen Regierung zurück. Drei unabhängige Ausschüsse waren im vergangenen Jahr zu dem Schluß gekommen, daß die Autonomiebehörde rund 325 Millionen Dollar verschleudert oder unnötig ausgegeben habe. Das Parlament hatte daraufhin die Absetzung mehrerer Minister verlangt. Monatelang gelang es Arafat, die Krise auszusitzen. Damit scheint es jetzt vorbei zu sein. Der Palästinenserpräsident scheint sich einer Kabinettsumbildung nicht länger entziehen zu können.

Zu Spekulationen über seinen möglichen Rücktritt sagte Arafat gegenüber der in London erscheinenden arabischen Tageszeitung Al-Hayat, daß das PLO-Exekutivkomitee und das palästinensische Kabinett über seinen möglichen Nachfolger entscheiden würden. „Ich bin nicht derjenige, der über meinen Nachfolger entscheidet“, so Arafat. „Aber Abu Mazen ist einer der wichtigsten Figuren in der Führung und zudem der Generalsekretär des Exekutivkomitees, und von daher verdient er Respekt“, sagte Arafat. Seit längerem halten sich Gerüchte, daß Arafat wegen seines Gesundheitszustandes zurücktreten will.

Der geistigen Führer von Hamas, Scheich Ahmed Yassin, muß die Regierungskrise vom Ausland aus verfolgen. Noch immer ist unklar, ob er von einer Auslandsreise nach Gaza zurückkehren kann. Israel wirft ihm vor, Hunderte von Millionen Dollar für Hamas gesammelt zu haben. In einem Fernsehinterview in der sudanesischen Hauptstadt Khartum erklärte Yassin, daß er durch die Eingangstüre ausgereist sei, deshalb werde er „auch wieder durch den Vordereingang zurückkehren“.

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