: Malaysias Regierungschef gegen den Rest der Welt
■ Abgeschreckt durch das Beispiel Indonesiens, kämpft Malaysias Premierminister Mahathir Mohamad erbittert um seine Macht. Die Opposition wird eingeschüchtert, die Presse geknebelt
Bangkok (taz) – Kaum ließen die Gäste an den Tischen ihre Stäbchen sinken, um der Rede des Oppositionspolitikers der malaysischen „Democratic Action Party“ (DAP) zu lauschen, stürzten auch schon Polizisten in voller Kampfmontur in den Saal. Das politische Abendessen endete abrupt. Wie an diesem Wochenende in der Stadt Lukut versucht die Regierung von Premierminister Mahathir Mohamad mit neuer Schärfe, ihre KritikerInnen zum Schweigen zu bringen. Seit Ende Mai ist etwa ein halbes Dutzend öffentlicher Veranstaltungen von Bürgergruppen und der von der chinesischen Minderheit dominierten DAP verboten oder von der Polizei abgebrochen worden.
Demokratie, Umweltprobleme, Korruption und die Wirtschaftskrise gehören zu den unliebsamen Themen. Über die Wasserknappheit in Kuala Lumpur soll ebensowenig gesprochen werden wie über Smog und Waldbrände. Empört verglich DAP-Vorsitzender Lim Kit Siang die Polizeiaktion vom Wochenende mit George Orwells Roman „Farm der Tiere“, wo die Leute „essen, aber nicht reden dürfen“. Erschreckt von der Entwicklung im benachbarten Indonesien, wo die schweren Wirtschaftsprobleme Präsident Suharto im Mai zum Rücktritt zwangen, kämpft der 72jährige Mahathir derzeit um sein politisches Überleben.
Denn auch Malaysia, das Mahathir seit 1981 regiert, versinkt derzeit immer tiefer in der asiatischen Finanzkrise. Erstmals schrumpfte die Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres um 1,8 Prozent, immer mehr Firmen können ihre Kredite nicht zurückzahlen, Banken wackeln, die Währung hat seit dem vergangenen Jahr über 40 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Dollar verloren.
Und Mahathir, der bis vor kurzem noch als Architekt des malaysischen Wirtschaftswunders gefeiert wurde, unter dem das durchschnittliche Jahreseinkommen von 300 auf 5.000 Dollar stieg, gerät immer stärker unter Beschuß: Weil er gern behauptet, daß ausländische Währungsspekulanten schuld an der Misere sind, und weil er kürzlich sogar mit einem „Guerillakrieg“ gegenüber ausländischen Interessen drohte, falls sie versuchen sollten, Malaysia „wieder zu kolonialisieren“, muß er sich nun über den Vorwurf ärgern, er vergraule Investoren.
Gleichzeitig wächst im Lande die Kritik an Korruption und Filz in seiner 13-Parteien-Koalition, die seit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1957 regiert. Denn zu den malaysischen Unternehmern, denen die Regierung mit günstigen Verträgen durch die Krise hilft, gehört auch Mahathirs geschäftstüchtiger Sohn Mirzan. Der hat laut Time in den letzten Monaten 900 Millionen Dollar Aktienvermögen verloren. Anders als in Indonesien demonstrieren in Malaysia nicht Studenten oder Arbeiter. Die Opposition ist durch drakonische Sicherheitsgesetze und Versammlungsbeschränkungen eingeschüchtert, die Presse wird scharf kontrolliert.
Doch innerhalb Mahathirs United Malay National Organisation (UMNO), deren nationaler Parteitag am Freitag beginnt, brodelt es. Der Chef der einflußreichen UMNO-Jugendorganisation, Ahmad Zahid Hamidi, hat bereits angekündigt, er werde bei dem Treffen Beweise für Korruption in der Regierung vorlegen. Anders als der Indonesier Suharto hat Mahathir dafür gesorgt, daß ein Nachfolger bereitsteht, falls er zurücktreten sollte. Seit 1993 steht Anwar Ibrahim, Vizepremier und Finanzminister, als loyale Nummer zwei hinter Mahathir – immer bereit, Differenzen auszubügeln. Doch in den letzten Wochen schien die Beziehung gestört: Während Mahathir sich noch strikt weigert, ein eigenes Verschulden an der wirtschaftlichen Misere einzugestehen, sagte Anwar kürzlich, die Krise habe „eine schöpferische Zerstörungkraft“ mit sich gebracht, die „die Gesellschaft von Filz, Günstlingswirtschaft und Nepotismus reinigen“ kann.
In einem Gespräch mit Studenten zeigte Anwar kürzlich sogar Sympathie für den Oppositionspolitiker Lim Guang Eng, der Anlaß für die Polizeiaktion am Wochenende gegen die DAP-Veranstaltung war. Lim, Vizevorsitzender der Oppositionspartei, hatte eine Haftstrafe von 18 Monaten erhalten. Sein Verbrechen: Er hatte es gewagt, in einem Artikel die Behörden zu kritisieren, die nach einer mutmaßlichen Vergewaltigung das fünfzehnjährige Opfer festnahmen, den Täter hingegen, ein hohes Mitglied der Regierungspartei UMNO, unbehelligt ließen. Die Gesetze müßten möglicherweise reformiert werden, sagte Anwar. Seine Reformbekenntnisse könnten ihm aber zum Verhängnis werden. Bislang hat Mahathir noch jeden Politiker, der ihm gefährlich werden könnte, ausmanövriert. Jutta Lietsch
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